STADT GERA KAUFT DIX-GEMÄLDE AN

Holger Peter Saupe, Leiter der Kunstsammlung Gera, Oberbürgermeisterin Dr. Viola Hahn und Astrid Lindinger, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kunstsammlung Gera, zeigen das neuerworbene Gemälde „Die Schwester Toni am Fenster“, welches Otto Dix vor 110 Jahren gemalt hatte.

Die Kunstsammlung Gera hat mit „Die Schwester Toni am Fenster“ ein frühes Dix-Gemälde zur Erweiterung der Geraer Otto-Dix-Sammlung erworben. Es stammt aus dem Jahre 1908, ist in Gera (Untermhaus) entstanden und gehört zum Jugendwerk des Künstlers. Das Bild hat eine eindeutige Provenienz und stammt aus dem familiären Besitz, der Tochter von Toni Dix und Nichte von Otto Dix, die vor zwei Jahren verstarb.

Dem bisherigen Eigentümer war daran gelegen, dass das Gemälde in die Museumssammlung der Geburtsstadt von Dix aufgenommen und somit auch zukünftig am Ort der Herkunft des Bildes bewahrt wird. Oberbürgermeisterin Dr. Viola Hahn hatte noch vor Weihnachten den Kaufvertrag unterzeichnet. „Mit dem Ankauf bekräftigt die Stadt Gera ihr Bekenntnis zu Otto Dix und zur Pflege seines Werkes in seiner Geburtsstadt. Hilfreiche Unterstützung bei der Vermittlung des Bildankaufs leistete die Otto-Dix-Stiftung Vaduz, insbesondere deren Präsident Rainer Pfefferkorn, der dem Eigentümer in seiner Entscheidung bestärkte, dass das Bild sehr gut in die Geraer Sammlung passen würde.
Ebenso danke ich der Thüringer Staatskanzlei, mit deren erheblicher finanzieller Unterstützung das Bild dauerhaft für die Geraer Otto-Dix-Sammlung gesichert werden konnte“, betont Oberbürgermeisterin Dr. Hahn.

Das Gemälde wurde bereits in dem 1981 von Fritz Löffler herausgegebenen Werkverzeichnis der Gemälde von Otto Dix aufgeführt und ist dort unter der Werkverzeichnisnummer 1908/1 aufgeführt. Das Gemälde wurde oft in thematische Ausstellungen über das Schaffen von Otto Dix einbezogen und konnte bereits mehrfach als Leihgabe aus Privatbesitz in Sonderausstellungen der Kunstsammlung Gera präsentiert werden. Im Katalog zu der im Jahre 2000/2001 in der Kunstsammlung Gera präsentierten Ausstellung „Dix avant Dix“, die vor allem dem Jugend- und Frühwerk des Künstlers gewidmet war, wurde es mit publiziert.

Das Bild zeigt des Künstlers zwei Jahre jüngere Schwester Toni Dix (23.10.1893 – 17.09.1984). Der junge Otto Dix erfasst seine Schwester vor dem Fenster im Gegenlicht, in einer malerisch anspruchsvollen Situation aus gedämpftem Innenraum und lichtem Außenraum. Toni schneidet mit der Schere vermutlich in ein Stück Stoff und ist ganz auf ihre handwerkliche Tätigkeit konzentriert. Die etwas zerzausten und ungebundenen Haare, der hochgeschlossene und dunkle Kittel vermitteln im Detail ein intimes Bild aus dem familiären Alltag der Familie.

Nach mehrfachen Wohnungsumzügen in den Jahren vor 1900, bei der die Wohnungsgröße allmählich der bis auf sechs Personen anwachsenden Familiengröße angepasst wurde, konnte die Familie Dix 1908 endlich in das eigene von den Familien Dix erbaute Mehrfamilienhaus in der Uferstraße 4 einziehen.

Im Fensterausblick des Gemäldes lassen sich unter dem Himmelsausschnitt der Fluss und die Häuser vom gegenüberliegenden Elsterufer erahnen, was die Vermutung nahelegt, dass das Bild in der neuen Wohnung entstanden ist. Dix verwendet hier noch einen spontanen und impressiv erscheinenden Pinselduktus, mit dem er seinem Motiv ein atmosphärisches Licht verleiht und der für diese malerische Anfangsphase noch typisch ist.

Toni Dix (1893-1984) hatte im Modegeschäft Sonntag, das sich auf der Geraer Hauptgeschäftsstraße „Sorge“ befand, den Beruf einer Putzmacherin erlernt. Eine Putzmacherin war zur damaligen Zeit ein angesehener Handwerksberuf, der hauptsächlich von Frauen ausgeübt wurde. Man fertigte im Grunde Kopfbedeckungen für Damen (Kopfputz) und oft noch allerlei Mode- und Galanteriearbeiten für Frauenzimmer. Später wurde dafür meist die Berufsbezeichnung Modistin verwendet. (Putzmacherin ist das weibliche Pendant zum Hutmacher, der ausnahmslos Herrenhüte herstellte.)

Noch vor 1920 ging Toni Dix als Modistin nach Straubing, wo sie ihren zukünftigen Ehemann Franz Imblom kennenlernte und mit ihm später ein Hutgeschäft eröffnete. Ende der 1920er Jahre kehrte sie nach Gera zurück. Nach dem Tode des Vaters 1942 kümmerte sie sich um die Pflege der Mutter und übernahm die Hausverwaltung des elterlichen Hauses in der Untermhäuser Uferstraße 4.

Das Bild hat einen starken biografischen Bezug zu Otto Dix sowie zu Gera und stellt eine wesentliche Ergänzung der Geraer Sammlung dar, zu deren Besonderheiten ein charakteristischer Bestand an Jugend- und Frühwerken des Künstlers zählt. Das Gemälde gehört zu den ersten Porträtbildern im malerischen Werk von Otto Dix und wurde über die Jahre in familiären Besitz von Toni Dix sorgsam bewahrt.

Im Bestand der Kunstsammlung Gera befinden sich frühe Skizzenbücher von Otto Dix, die verdeutlichen, dass sich der junge Otto Dix in der künstlerischen Auseinandersetzung schon seit 1903 in kleinen Studien, Skizzen und Tuschzeichnungen immer wieder mit Situationen und Personen seines familiären Umfeldes beschäftigt hat: der Vater oder die Mutter mit Brille beim Lesen, Gegenstände auf dem Küchentisch (Tasse, Zeitung, Rauchzeug und Aschenbecher), die Silhouette der Mutter am Fenster im Gegenlicht und die ersten zeichnerischen Porträtstudien von den Schwestern Toni und Hedwig.

BILD UND TEXT: STADTVERWALTUNG

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