MUSIK ALS INDIKATOR FÜR ZUNEHMENDE AGGRESSION

Die Musikgruppe Beartooth trat am 10. März 2017 in Houston/Texas auf. (Bild: Youtube)

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Musik einer Studie zufolge deutlich verändert. Melodien und Texte der erfolgreichsten Lieder sind laut dem „Journal of Popular Music Studies“ heute deutlich aggressiver als vor 60 Jahren. Zu diesem Schluss kamen Forscher, nachdem sie die US-Top 100 der Jahre zwischen 1950 und 2016 ausgewertet hatten. In den 1950er Jahren seien zumeist positive Empfindungen wie Freude und Glück zum Ausdruck gebracht worden; aggressive Texte fänden sich nur selten, nähmen aber allmählich zu. Ein deutlicher Anstieg sei ab den 1990er Jahren zu verzeichnen, welcher im Jahre 2015 seinen Höhepunkt erreicht habe.

Was das über die Gesellschaft aussagen kann, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Nachgewiesen ist eine wechselseitige Beziehung zwischen der Musik und dem Hörer, wobei dieser die gehörten Töne, die objektiv betrachtet neutral und ohne Aussagekraft sind, interpretiert und assoziiert. Einerseits kann das Hören von Musik Emotionen hervorrufen und dabei helfen, sich in bestimmte Stimmungslagen zu versetzen. Andererseits kann Musik dazu verwendet werden, bereits vorhandene Emotionen zum Ausdruck zu bringen. In diesem Falle könnte die Musik auf eine zunehmende emotionale Belastung der Gesellschaft hinweisen, die Aggression zur Folge hat. Auf eine zunehmende Aggression könnte auch der sich ändernde Wortgebrauch bei der Kommunikation in sozialen Netzwerken hinweisen.

In der Psychologie wird Aggression als ein Verhalten mit Schädigungsabsicht definiert. Zur Entstehung gibt es fünf verschiedenen Theorien.

Psychoanalytische Aggressionstheorie
Sigmund Freud entwickelte eine psychoanalytische Theorie zur Entstehung von Aggressionen. Aufgrund der Feststellung, dass es zu jeder Zeit auf der Welt Kriege gibt, nahm Freud an, dass alle Menschen einen Todestrieb besitzen. Dieser erzeuge fortlaufend Triebenergie, die, wenn sie nicht in kleinen Mengen auf sozial akzeptable Weise abgebaut werden könne, zu aggressivem Verhalten führe. Ein wie von Freud beschriebener angeborener Aggressionstrieb konnte bislang nicht nachgewiesen werden.

Psychohydraulische Aggressionstheorie
Konrad Lorenz modifizierte diese Theorie zu seinem „Psychohydraulischen Modell“ — einer Triebtheorie: Aggressivität sei ein Instinkt zur Arterhaltung. Dieser Instinkt sei ein Trieb, der immer wieder entladen werden müsse. Auslöser dieser Entladungen können Umweltprozesse sein. Man spricht hier auch von dem „Dampfkesselmodell“: Die Triebenergie erzeugt Druck, der entladen werden muss. Heizt die Umwelt dem Kessel ein, kommt es schneller zur Entladung. Positiv an dieser Theorie ist, dass die Bedeutung der Umwelt bei der Ausläsung des aggressiven Verhaltens aufgezeigt wird. Einen Beweis für den angeborenen Aggressionstrieb und die fortlaufend erzeugte Triebenergie gibt es nicht.

Frustrations-Aggressionstheorie
John S. Dollard und Neal E. Miller entwickelten im Jahre 1939 die Frustrations-Aggressionstheorie. Sie besagt, dass bei Menschen, die an der Erreichung eines Zieles gehindert werden und Enttäuschung erfahren, Frustrationen entstehen. Frustration führe immer zu einer Form der Aggression, und Aggression sei immer eine Folge von Frustration. Da sich diese Thesen nicht halten ließen, wurden sie erweitert: Aggressives Verhalten kann gehemmt werden, und nicht jede Frustration ist stark genug, um Aggression auszulösen. Hierzu muss gesagt werden, dass dies sicherlich oft zutrifft. Frustrationen lösen tatsächlich oft Aggression aus – aber nicht immer. Häufig können Frustrationen mit angemessenen Strategien verarbeitet werden. Gelingt dies nicht, können Frustrationen auch zu Resignation, zu Rückzug oder sogar zu depressiven Störungen führen.

Lerntheorethische Aggressionsmodelle
Sie gehen davon aus, dass aggressives Verhalten erlernt wird. Es kann abgeschaut werden (Modell-Lernen) oder durch eigene Erfahrungen (instrumentelles Lernen) erlernt werden, wenn sie „erfolgreich“ waren.

Theorie des Werkzeugverlustes
Hier sind die „Werkzeuge“ für gesellschaftlich akzeptable Ausdrucksweisen nicht mehr vorhanden. Das heißt, es fehlen die Möglichkeiten, sich verbal auszudrücken. Der Betroffene greift in diesem Falle auf früher erlernte, nonverbale Ausdrucksformen zurück und wird beispielsweise handgreiflich.

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