DAS LEBEN AUF DER ERDE – EIN ZUFALL ODER MEHR?

Das Leben kann man aus vielen Perspektiven betrachten. Eine allgemeingültige wissenschaftliche Definition gibt es nicht, aber man hat sich auf verschiedene Kennzeichen einigen können. Im Blick steht dabei die einzelne Zelle bzw. das durch gemeinsames Zusammenwirken mehrerer Zellen zustandekommende, vielzellige Individuum. Was es mit diesen komplexen Strukturen auf sich hat und ob diese einen tieferen Sinn haben, darüber gibt es nur Vermutungen.

Zellen betreiben Stoffwechsel, replizieren sich, einige kooperieren miteinander und bilden so größere Einheiten, z. B. den Menschen. Es handelt sich bei Mehrzellern also um einen Verbund, der gemeinsames koordiniertes Agieren ermöglicht. Aufgrund der Spezialisierungen könnten die einzelnen Zellen außerhalb dieses Systems nicht aber überleben.

Erste mehrzellige Lebewesen entstanden vor etwa 2,1 Milliarden Jahren, und bis zum Menschen kann man von einer beachtlichen Entwicklung sprechen — ausgelöst durch eine Anreihung zahlreicher Zufälle, die etwas geschaffen haben, für das es eigentlich die geringste Wahrscheinlichkeit gibt. Setzt sich dies so fort, könnte das für die Zukunft bedeuten, die Entwicklung des Lebens nimmt den Weg, der aus heutiger Sicht der unwahrscheinlichste ist. Aber wohin führt dieser?

Wenn man die Funktion des Lebens so definiert, dass es in der Lage ist, eine komplexe Struktur dauerhaft gegen die Entropie aufrecht zu erhalten, dann könnte es den Sinn haben, die Vergänglichkeit über verschiedene Etappen zu überwinden und gleichzeitig etwas neues zu schaffen. Mit Blick auf die bisherige Entwicklung und der Suche nach dem, was diese im Wesentlichen ausmacht, lässt sich möglicherweise der weitere Verlauf extrapolieren.

Während die leblose Natur der Erosion, dem Verschleiß und Zerfall unterliegt, kann sich das Leben dem entziehen — vorausgesetzt, man betrachtet nicht jedes Individuum für sich, sondern den gesamten Strang. Das erfordert eine neue Sichtweise, bei der nicht die Existenz und Weiterentwicklung des einzelnen Wesens im Mittelpunkt steht, sondern die gesamte Struktur, deren Komplexität an den Verästelungen zunimmt. Die Entropie wirkt auf die unbelebte Natur und führt dazu, dass von der heutigen Welt irgendwann einmal nichts mehr übrig bleibt. Das Leben könnte bei dieser Annahme etwas sein, dass den Fortbestand sichert oder sogar den Keim für eine neue Existenz bildet.

Auffällig an der bisherigen Entwicklung des Lebens sind auch die immer wieder kehrenden Phasen großen Artensterbens. Die augenscheinlich dominanten und am weitesten entwickelten Arten schaffen Bedingungen, die anderen das Überleben erschweren. Von letzteren werden eine größere Anpassungsgabe, Ausdauer und neue Fähigkeiten abverlangt. Schließlich stirbt die dominante Art aus und schafft so Platz für eine neue Generation.

Durch dieses Auswahlprinzip wird möglicherweise auch der Menschen von der Erde verschwinden. Er befindet sich auf einem Posten, den einst die Saurier inne hatten. Jene, die glauben, der Fortschritt bestünde in der Weiterentwicklung der Technik und die Zukunft sei das Zusammenwirken zwischen Mensch, Computer und künstlicher Intelligenz, wären dann der aussterbende Ast im Baum des Lebens.

Geht man nämlich davon aus, dass sich im Zuge der technischen Entwicklung irgendwann einmal Mensch und Maschine verbinden und viele Abläufe automatisiert sein werden, stellt sich die Frage, welche Konsequenzen dies hat. Der Energiebedarf würde steigen, auch Bedarf an Ressourcen und Flächen. Dass man dazu neigt, einen steigenden Energiebedarf als Merkmal einer Zivilisation anzusehen, zeigt die Astrophysik. Dort wurde zur Erkennung der Entwicklungsstufe extraterrestrischer Zivilisationen die sogenannte Kardaschow-Skala entwickelt. Bislang konnte aber noch nichts beobachtet werden, was sich hier einordnen ließe. Die Wissenschaft geht zudem davon aus, dass technische Zivilisationen nur für eine begrenzte Zeit existieren und dann wieder verschwinden.

Dies würde aber bedeuten, dass der Weg zur Technisierung, den wir gerade auf der Erde beschreiten, in eine Sackgasse führt. Derzeit stehen wir am Beginn einer Ära, in der die künstliche Intelligenz eine bedeutenden Rolle einnehmen wird. Denkbar wäre folgender Verlauf: Die Abhängigkeit von technischen Geräten wächst und es ensteht eine Bevölkerungsschicht, die das freie Denken und die Orientierung ohne Hilfsmittel verlernt, kein umfassendes Wissen besitzt, sondern nur Bruchstücke erhält, entsprechend ihrer Aufgabe. Sie ist, um ihre Aufgaben und den Tag zu bewältigenden, auf Programme angewiesen, die andere für sie erstellt haben, und sie bewegt sich gedanklich in einem Korridor, den andere für sie geschaffen und eingerichtet haben. Diese Bevölkerungsschicht hat nicht das Bestreben, nach übergeordneten Zusammenhängen zu fragen oder das große Ganze erkennen zu wollen. Stattdessen lässt sie sich anleiten, das Erlebte einzuteilen, fragmentiertes Wissen zu sammeln und weiterzugeben. Ihr wird das Denken in festen Kategorien gelehrt, das Trennen und Einordnen des Erlebten in Schubladen, sodass Zusammenhänge nicht mehr erkennbar werden. Auf diese Weise wird sie sich ihrer Situation nicht gewahr und kann beliebig dirigiert werden.

So ist es auch bei der Scheidung zwischen dem Menschen auf der einen Seite, und der Natur auf der anderen. Der Mensch sieht sich von der übrigen Natur losgelöst und glaubt auch, autonom zu handeln. Doch tatsächlich ist er weiterhin ein fester Bestandteil dieser. Er kann sich auch gar nicht von dieser lossagen, sondern tut, ebenso wie alle anderen Lebenwesen, was seine Biologie vorgibt und wonach er Verlangen spürt. Damit bewegt er sich eindeutig innerhalb eines übergeordneten Systems, wenngleich er sich dessen Existenz nicht bewusst ist.

Dazu könnte die Dystopie gehören, dass sich der technisierte Mensch um seine Lebensgrundlagen bringt, seine Fähigkeiten nach und nach verliert und die Mehrheit sich schließlich selbst erübrigt. Ein solcher Werdegang wäre unter dieser Annahme notwendig, weil er eine neue Entwicklung erzwingt. Vielleicht hat es das schon einmal gegeben und Forscher stoßen dereinst im Weltraum auf Überbleibsel einer solchen Zivilisation. Damit ließe auch die Frage beantworten, weshalb in der Weite des Raumes keine hochentwickelten technischen Systeme zu erspähen sind. Es wird hier wahrscheinlich nach etwas falschem gesucht, nach evolutionären Blindläufern.

Mittlerweile empfinden auch immer mehr Menschen ein mulmiges Gefühl bei der in Aussicht gestellten technischen Zukunft, und es scheint einen inneren Widerstand und Vorbehalte gegen diese Entwicklung zu geben. Haben solche inneren Vorbehalte eine Bedeutung oder müssen sie überwunden werden? Eine Zukunft, die Unbehagen auslöst, kann schließlich nicht der ideale Weg sein, glauben Skeptiker und meinen, dass wir die Anlagen für die nächsten Entwicklungsschritte bereits in uns tragen müssten, und diese deshalb gar kein Unbehagen hervorrufen sollten.

Die Richtung lasse sich herleiten, da die Entwicklung des Lebens als Ganzes den Bedürfnissen seiner Individuen folge, sagen Anhänger dieses Gedankens.


Abraham Maslow beschrieb menschliche Bedürfnisse und Antriebe. Seine Bedürfnispyramide zeigt verschiedenen Ebenen. Erst kurz vor seinem Tode erweitere er das Modell um die „Transzendenz“.

Das Wesentliche bei der Entwicklung des Lebens ist, so könnte man es sehen, eine immer umfassendere Wahrnehmung der Umwelt, die Vernetzung einzelner biologischer Einheiten zu etwas größerem, die Herausbildung eines Bewusstseins und wohl auch die Möglichkeit zu fragen, ob dies nicht eine tiefere Bedeutung hat.

Viele Menschen müssen hier jedoch zunächst eine anerzogene Abneigung überwinden, sich damit auseinanderzusetzen. Denn das Denken ist noch immer auf den persönlichen Erfolg ausgerichtet, welchen man durch Rang, Titel, Besitz und Macht zu erkennen glaubt. Zu diesem Zwecke wird Wissen angesammelt und verwendet, und häufig auch, um sich aus einer materiellen oder existenziellen Notlage befreien zu können. Alles übrige ist unter diesen Prämissen irrelevant.

Der Gedanke, dass sich das Leben letztendlich auf einer anderen Ebene weiterentwickeln könnte, das Bewusstsein der wesentliche Aspekt und Schlüssel für den Fortbestand der Dinge ist, passt nicht in das gegenwärtige Verständnis von der Welt und wird größenteils abgelehnt.

2 Kommentare

    • Namen bzw. Quellen werden nur bei zugelieferten Mitteilungen oder übernommenen Texten angegeben. Dieser Artikel hingegen wurde intern erstellt. Vorangegangen waren eine Themenauswahl und Gespräche, bei denen es u. a. um eine möglichst schlüssige Zusammenführung verschiedener Denkansätze ging.

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