DAS WELTWEIT WACHSENDE KONFLIKTPOTENZIAL

Das Wissen um Konflikte, die Entstehung, Folgen und Vermeidung, könnte bald wieder sehr bedeutsam werden. Denn weltweit sind zunehmende Gegensätze bei einander näherkommenden Berührungspunkten zu beobachten. Deshalb werfen wir hier einen Blick auf dieses Thema.

Konflikte können auf allen gesellschaftlichen Ebenen entstehen, verschiedene Ursachen haben und sogar größere soziale Gebilde gegeneinander aufbringen. Man unterscheidet innere Konflikte, also solche, die sich innerhalb einer Person abspielen, Konflikte zwischen einzelnen Individuen, Gruppenkonflikte und Konflikte von Organisationen. Abhängig von den Ursachen teilt man ein in Strukturkonflikt, Sachverhaltskonflikt, Interessenkonflikt, Beziehungskonflikt und Wertekonflikt.

Sie alle haben gemeinsam, dass es in einem gemeinsamen Einflussbereich Ungleichheiten, Unterschiede oder Gegensätze gibt, und eine inhaltliche Annäherung oder Übereinkunft nicht gelingt. Zum Ausbruch kommt es, wenn beide Seiten aufeinandertreffen und die Gegensätze so groß geworden sind, dass eine Seite einen bedeutenden Nachteil für sich fürchtet. Dieser kann von emotionaler Natur sein, aber auch finanziell oder wirtschaftlich.

Unlängst warnten beispielsweise Friedens- und Konfliktforscher vor einem neuen Wettrüsten mit Atomwaffen. Sie riefen die Bundesregierung auf, dagegen einzutreten und schrieben in ihrem Friedensgutachten 2019, die nukleare Weltordnung sei in Gefahr und mit ihr die Stabilität des internationalen Systems. Die nach dem Kalten Krieg vereinbarte Abrüstung zwischen den Großmächten sei blockiert. Die Forscher empfehlen der Bundesregierung, neue strategische Bündnisse für eine Friedenspolitik zu suchen.

Das Konfliktrisiko steigt aber auch innerhalb des sozialen Gefüges und geht damit einher, dass Gemeinsamkeiten im Denken, Handeln und Leben schwinden, da es u. a. keine verbindenden Ziele mehr gibt.

Was das Ende eines Konfliktes anbetrifft, unterscheidet man in der Soziologie sechs Konfliktlösungsstrategien.

Flucht
Die Flucht war die ursprüngliche Konfliktlösungsstrategie. Die Primaten, zu denen der Mensch gehört, werden daher hinsichtlich ihres Konfliktverhaltens als Fluchtwesen bezeichnet. Auch heute noch ist die Flucht die erste instinkthafte Reaktion, wobei die Flucht auch in Form des Verleugnen eines Konfliktes oder des Hinauszögerns manifestieren kann. Der Nachteil der Flucht als Konfliktlösung ist der ausbleibende Lernprozess.

Vernichtung
Ein Konflikt, der nicht durch Flucht gelöst werden kann, zwingt zum Kampf — ursprünglich zumeist mit dem Ziel der Vernichtung des Gegners. Sogar in der heutigen Zeit werden Vernichtungsrituale, wenn auch in sublimierter Form, als angestrebte Lösung beibehalten. Der Vorteil des Vernichtungskampfes ist die entgültige Lösung des Konfliktes. Der Nachteil ist auch hier der Verlust der Alternative als Entwicklungsmöglichkeit.

Unterwerfung
Mit dem Verzicht auf die Tötung des Gegners wurde das Zeitalter der Sklaverei im Sinne von Zwangsarbeit eingeleitet. Voraussetzung war die Idee des Besitzes, weil nur so der Sklave als Besitz denkbar war. Konfliktlösung durch Unterwerfung oder Unterordnung wurde später in hierarchischen Systemen institutionalisiert. Vorteil dieser Strategie ist die Möglichkeit der Arbeitsteilung. Zudem überleben mehr Menschen, die voneinander lernen können. Die Konfliktlösung durch Unterwerfung ist auch umkehrbar. Die Umkehrbarkeit kann sich aber auch als Nachteil erweisen, indem die Konflikte nicht gelöst sondern perpetuiert werden.

Delegation
Kompromiss bedeutet, dass in einem bestimmten Bereich eine Teileinigung erzielt werden kann. Der Vorteil ist ebendiese Einigung, der Nachteil, dass es nur eine Teileinigung ist. Ein Beispiel für einen Kompromiss ist der gerichtliche Vergleich.

Konsens
Die Suche nach Konsens verlangt von allen Beteiligten eine kooperative bzw. soziale Einstellung zu einer Konfliktlösung. Doch er wird zumeist erst dann angestrebt, wenn die anderen Konfliktlösungsstrategien versagt haben.

Der Grund für das weltweit zunehmende Konfliktpotenzial dürfte in den wachstumsgetriebenen Wirtschaftssystemen gesucht werden. Ursache des Wachstumszwanges ist die Summe der Bedürfnisse der einzelnen Teilnehmer in einem solchen System — nicht gleichzusetzen mit der Summe der materiellen Habe. Die Bedürfnisse wachsen stetig, wenngleich die Steigerung im Einzelfall auch nur gering ausfallen kann. Doch der Fortbestand des Systemes ist davon abhängig, und auf den einzelnen Ebenen wächst mit zunehmender Erwartung die Last und folglich der Druck auf die nächsthöhere Ebene. Die Entwicklung bleibt zumeist viele Jahre oder Jahrzehnte unbemerkt und hat zur Folge, dass Macht allmählich ein immer entscheidenderer Faktor wird, denn sie ermöglicht Einflussnahme. Da es mehrere wachstumsabhänge Systeme gibt, wird der Kampf um die Wachstumsgrundlagen wie Bodenschätze, Absatzmärkte und Verkehrswege mit der Zeit immer härter. Kommt es zu einem Konflikt, ist die Strategie entscheidend für den Ausgang desselben.

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