EINE ZEITREISE DURCH DEN MARTINSGRUND

Der Martinsgrund war schon vor langer Zeit ein beliebter Ort der Erholung. Heute befindet sich dort der Tierpark. Das bewaldete Gebiet am westlichen Rande der Stadt hat eine interessante Geschichte vorzuweisen, die bis in das Mittelalter zurückreicht.

Die Weiße Elster arbeitet sich in die Tiefe, indem sie die leichter lösbaren Schichten herausspült. Aufgrund der Neigung verlagert sich der Flusslauf dabei allmählich nach Westen. (Museum für Naturkunde)

Geologisch betrachtet ist der Martinsgrund eine Einkerbung im Buntsandstein auf der westlichen Seite des Elstertales, wo die Saale-Elster-Sandsteinplatte beginnt. Im Laufe der Jahrtausende spülte der Bach das Material in die Weiße Elster und schuf so das heutige Geländeprofil. Auf diese Weise entstanden auch der Türkengraben und die Fuchsklamm.

Der Bach beginnt nahe der Wüstung Vollersdorf (Ortslage 12,043615° ö. L.; 50,867251 n. B.) und fließt am Eingang des Martinsgrundes in eine Rohrleitung. Die nahegelegene Karstquelle bringt jenes Wasser wieder hervor, welches oberhalb einsickert und zwischen den Gesteinsschichten weiterfließt. Nur sehr selten trocknet sie aus. Zuletzt konnte das im Sommer 2018 beobachtet werden.

Diese Ansicht von H. Grossmann zeigt den Eingangsbereich im Jahre 1917. (Stadtarchiv)

Durch das bewaldete Gebiet führte im Mittelalter der Handelsweg von Gera nach Roda. Die von der Weißen Elster zum Rittergut Pöppeln verlaufende Obst- und Pappelallee, die Pöppeln’sche Chausse, wurde im Jahre 1820 verlängert, über den Berg geführt und zu einer Straße ausgebaut. Für die nötige Stabilität sorgte eine Packlage als Unterbau. Weil die namensgebenden Bäume am Straßenrand verschwanden, wurde nun der städtische Wald bezeichnend für die Straße. So erhielt sie am 23. September 1874 den Namen „Waldstraße“.

Im Mittelalter war der Anstieg nach Westen hin am leichtesten zu überwinden, wenn man den Weg durch den heutigen Martingsgrund nahm. Allerdings gab es dort eine schwerpassierbare Stelle. Am Ende des Grundes führte der Weg durch eine feuchte Senke, welche mit Knüppelbelag ausgestattet war. Da der Bach ebenfalls durch die Senke floss, war es dort trotz der Holzknüppel zumeist feucht und schlammig. Erschwerend hinzu kam der Anstieg des Weges unmittelbar nach dieser Senke. Diesen Bereich des Waldes nannte man daher „Hölle“. Der Weg führte dann weiter entlang der heutigen Route — unter anderem vorbei an Vollersdorf.

Vollersdorf gehörte zunächst zum Osterstein, später zum Rittergut Pöppeln. Bis zum Jahre 1495 soll eine Familie von Uttenhoven Besitzer der Güter Pöppeln und Vollersdorf gewesen sein. Am 9. März 1495 erwarb der Rat zu Gera vom Amtmann Hans Grieß das Rittergut Pöppeln mit Vollersdorf und allem Zubehör, wörtlich „samt Eckern, Wiesen, Höltzern“. Das nun als „Stadtwald“ bezeichnete Gebiet wurde in den nachfolgenden Jahrhunderten durch Zukäufe erweitert und diente der Versorgung der Stadt mit Bau- und Brennholz. Vollersdorf wurde im Jahre 1677 aufgegeben.

Diese Fotografie könnte im Jahre 1934 entstanden sein. (Stadtarchiv/Franz Richter)

Über den Martinsgrund, damals noch zum Vorwerk Vollerdorf gehörig, ist folgende Sage aus dem Mittelalter überliefert: Der reiche und hochrangige Herr von Selmnitz will das ihm versprochene Fräulein von Uttenhoven, Tochter des Pöppeln’schen Gutsherren, als Braut heimführen. Diese aber liebt den tapferen, jedoch armen Ritter Martin von Ende. In dem Waldstück rettet Martin von Ende das Fräulein aus der Gewalt eines Bären, der aus dem Zwinger vom Osterstein entwichen war. Er erhielt sie zum Lohn, und möglicherweise auch den besagten Waldabschnitt. Im Jahre 1501 erhielt die Stadt einen Lehensbrief über den Martinsgrund. Schriftlich erwähnt wird der Name Martingsgrund erstmals in einer Urkunde aus dem Jahre 1608, welche bezeugt, dass Thomas Rische, Besitzer des Vorwerks Vollersdorf, ihn an die Stadt Gera verkauft.

Der Familie von Ende gehörten im Jahre 1495 die Rittergüter Kaimberg, Pforten und Töppeln. Überliefert ist auch ein Hans von Selmnitz. Er soll während der Belagerung und Zerstörung der Stadt im Sächsischen Bruderkrieg, 1464, den Osterstein erfolgreich verteidigt haben. Seine Familienbesitzungen Söllmnitz-Hohenkirchen verkaufte er für 4000 Gulden und erwarb dafür Schloß und Herrschaft Vitzenburg an der Unstrut.

Im Jahre 1549 wird ein sogenanntes Gallhölzlein erwähnt. Es handelt sich um den Bereich hinter dem späteren Gasthaus Felsenkeller. Unter dem Bürgermeister Grefenthal kaufte es der Rat der Stadt Gera den Erben des Geraer Bürgers Callus ab und zahlte 63 alte Schock.

Das Gebäude wurde zunächst als Lusthäuschen bezeichnet. Diese Fotografie zeigt es im Jahre 1932. (Stadtarchiv)

Das bekannte Martinsgrundhäuschen wurde im Jahre 1796 errichtet. Es besaß einen Treppenaufgang, Butzenscheibenfenster und war für die städtischen Holzauktionen bestimmt. Der Ratsförster Karl Spörl gestaltete im Jahre 1849 die Umgebung des Häuschens neu und schuf 1837 im oberen Abschnitt einen großen Forst- und Pflanzgarten, den „Eichelgarten“.

Im Jahre 1882 wurde das „Kulturhaus Martinsgrund“ errichtet. Ausgeführt wurde es als ein kleines Häuschen mit Verblendsteinen und einer schmalen Veranda. Dort gab man gesundheitsfördernde Getränke aus und veranstaltete ab 1885 Konzerte für „Geraer Kurgäste“. In den Monaten Mai bis Juli bot die Geraer Firma Mengel jeweils zwischen 5 Uhr und 9 Uhr verschiedene Sorten Mineralwasser an. Es konnte auch Milch genossen werden. Das Häuschen befand sich gegenüber der einstigen „Stadtförster-Hungerquelle“, linksseitig des Einganges zum Martinsgrund. Hungerquellen sind solche, die nur nach besonders starkem Regen Wasser hervorbringen. Der Versuch, Gera als Heilbad und Kurort bekannt zu machen, scheiterte allerdings. Im Jahre 1893 wurde im früheren Schubert’schen Steinbruch ein Bierkeller in den Fels getrieben — der sogenannte Felsenkeller.

Vor dem Bau der heutigen Einfassung zeigte sich die Quelle wie auf dieser Abbildung zu sehen. (Stadtarchiv)

Die recht einfach eingefasste Quelle am Eingangsbereich wurde in den Jahren 1959 und 1960 neugestaltet. Im Rahmen des Nationalen Aufbau Werkes (NAW) waren hier Geraer Handwerker, unter anderem Schlossermeister Arnold, Klempnermeister Pötzschner, Kupferschmiedeobermeister Hagen, Klempnermeister Scheibe und MEHAG-Geschäftsführer Wend zugange. Es war eine organisierte unentgeltliche Arbeitsleitung, die freiwillig zu erbringen war. Am 4. Juli 1961 wurde die neu eingefasste Quelle der Öffentlichkeit feierlich übergeben.

Auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung unternahm man im Jahre 1962 die ersten Schritte zum Aufbau eines Tierparks im Martinsgrund. Nach dem ersten Spatenstich im April 1962 konnte schon am 30. Juni desselben Jahres der erste Teilabschnitt eröffnet werden. Die Tieranlagen waren als einzelne Erlebnisbereiche in das 20 Hektar große Gelände eingefügt.

Im Jahre 1970 zerstörte ein Hochwasser den Eingangsbereich des Tierparkes. Die Wiederherstellung ging mit einer Neugestaltung einher. Später wurde die Mufflon- Steinstele hinzugefügt. Der Brunnen enstand 1977 in der Bildhauerwerkstatt Späthe in Kayna. Der Würfel aus Kalkstein zeigt auf seinen Außenseiten Abbildungen verschiedener Tiere, die auch im Tierpark zu finden sind. Eine 75 Meter lange unterirdische Rohrleitung führt Wasser aus der Martinsquelle heran.

Nach zahlreichen Erweiterungen wurde 1972 der „Tierpark Gera“ eröffnet. Der Eintritt kostete 50 Pfennig, die Jahreskarte fünf Mark. 1975 kam eine 800 Meter lange Pioniereisenbahn hinzu, und am 30. Juni 1981 errichteten Soldaten des Truppenteiles „Erwin Panndorf“ der Nationalen Volksarmee im Tierpark eine neue Holzbrücke im Wert von 75’000 Mark.

Auch heute zieht der Martinsgrund viele Besucher an.

Heute beherbergt der Tierpark auf dem 20 Hektar großen Gelände über 500 Tiere aus etwa 80 verschiedenen Arten und kann ganzjährig besucht werden.

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