DIE SITUATION IM GERAER STADTWALD

Zu sehen ist die Fucksklamm am 19. Oktober 2012.

Das große Niederschlagsdefizit und die anhaltende Trockenheit seit dem Jahre 2017 sind auch am Geraer Stadtwald nicht spurlos vorbeigegangen, meldet das Amt für Stadtgrün. Die für die Gehölze erreichbaren Wasserreserven im Boden hätten sich durch mehrere regenarme Jahre demnach erschöpft. Die Folgen sind offensichtlich: Ein deutlicher Rückgang des Baumbestandes, insbesondere der Fichte, aber auch Kiefern und Lärchen sind betroffen. „Bäume reagieren auf den Trockenstress mit dem Abwurf von nicht überlebensnotwendigen Ästen, ihre Kronen trocknen zurück und es entsteht ein hoher Schadholzanteil“, erklärt Matthias Mittenzwey, Leiter des Amtes für Stadtgrün. Eine so geschwächte Vegetation sei besonders anfällig für den Befall von Forstschädlingen wie etwa dem Borkenkäfer, Schwammspinner oder auch Pilze. Zur Schädigung des Waldes und zum Rückgang des Baumbestandes hätten darüber hinaus auch vier große Stürme im Frühjahr 2019 beigetragen.

Zwar sei im Geraer Stadtwald aufgrund seines hohen Laubholzanteils nicht mit dem Absterben größerer Bereiche zu rechnen, wie derzeit in deutschen Nationalparks und auch in einigen Regionen des Thüringer Waldes beobachtbar, dessen Baumbestand mehrheitlich aus den besonders anfälligen Fichten besteht. Doch weisen mittlerweile auch Laubbäume Schäden auf. Besonders besorgniserregend sei Mittenzwey zufolge das Leiden und Absterben einer Vielzahl der als robust geltenden Buchen innerhalb von nur wenigen Wochen in Gera.

Dabei kann jeder Einzelne zur Gesunderhaltung des Geraer Stadtwaldes beitragen. Langanhaltende Hitze und Trockenheit führen insbesondere in den Sommermonaten jedes Jahr zu einer erhöhten Waldbrandgefahr. Gegenwärtig ist das Risiko in Gera zwar eher mäßig, Stufe zwei, doch das kann sich schnell ändern: „Wichtig ist in jedem Falle im Wald nicht zu rauchen. Das Thüringer Waldgesetz verbietet zudem offenes Feuer und offenes Licht. Vermieden werden sollte auch, glimmende oder brennende Gegenstände wegzuwerfen“, mahnt der Revierförster Ronald Felgner eindringlich und nicht ohne Grund: Seit 2019 mussten im Geraer Stadtwald zehn Brände gelöscht werden, die in Teilen auf mutwillige Brandstiftung, aber auch auf Unachtsamkeit zurückgingen.

Die klimabedingten Waldschäden haben darüber hinaus auch wirtschaftliche Folgen. Der hohe Schadholzanteil in deutschen Forsten und das entsprechend erhöhte Holzaufkommen führten in den letzten Jahren zu rapide sinkenden Holzpreisen. So seien laut Mittenzwey nur aufgrund staatlicher Subventionen überhaupt noch Einnahmen in diesem Bereich zu erzielen; zum Teil finde man aufgrund des gesättigten Marktes auch keinen Abnehmer mehr. Das wirke sich auch auf den städtischen Haushalt aus. Hinzu kämen zusätzliche Kosten für Instandsetzungen von Waldwegen aufgrund des vermehrten Abtransports von Schadholz. Umso wichtiger sind rasche und konsequente Gegenmaßnahmen zur Eindämmung dieser problematischen Entwicklungen. Bereits 2009 erhielten die Kommunen vom Land Thüringen dazu finanzielle Soforthilfen.

Die Empfehlungen von Thüringenforst sind eindeutig. Demnach erfordere der Klimawandel langfristig gesehen ein Umdenken. „Deutschland muss weg von naturfernen Fichten- und Kiefernwäldern. Es braucht klimastabile und also standortgeeignete, vielgestaltige und gut gepflegte Mischwälder“, so der Sprecher Thüringenforst, Dr. Horst Sproßmann. Auch aus Sicht Mittenzweys spielt der langfristige Waldumbau eine zentrale Rolle, um das Multitalent vor einem weiteren Absterben zu bewahren. „Seit Jahren entfernen wir uns im Geraer Stadtwald von Reinbeständen aus Fichte und Kiefer hin zu einem gemischten Baumartenbestand mit hohem Laubholzanteil aus Eiche, Ahorn, Kirsche und Buche“, betont der Leiter des Amtes für Stadtgrün und ergänzt: „Laubmischwälder sind die Wälder der Zukunft, denn sie sind widerstandsfähiger. Mit ihren tiefen Wurzeln können sie Stürmen und Trockenheit besser standhalten als Fichten.“ Demnach sei der Geraer Wald aufgrund seiner durchmischten Vegetation geradezu vorbildlich: „Dass Gera von einem großflächigen Baumsterben in den letzten Jahren verschont geblieben ist, liegt vor allem an seinem hohen Anteil verschiedener Laubbaumarten.“

Der Geraer Stadtwald ist die grüne Lunge vor der Haustür der Stadt, ist Naherholungsgebiet mit gut ausgebautem kilometerlangem Wegenetz zum Wandern, Spazierengehen und Joggen. Selbst eine ausgewiesene Mountainbikestrecke gibt es. Mit seinen wilden Schluchten und romantischen Tälern ist er ein echtes Juwel und sucht seinesgleichen. Er ist Lebensraum für eine Vielzahl an Tier- und Pflanzenarten und ein wahrer Kraftquell für die Menschen vor Ort. Er spendet Kühle an heißen Sommertagen, schützt vor Erosion gerade an Steilhängen und versorgt die Stadt nicht nur mit sauberem Grundwasser, sondern auch mit Frischluft. Wie ein natürlicher Filter befreien seine Baumkronen die Luft von Stäuben, Gasen und radioaktiven Stoffen. Nicht zuletzt ist der Geraer Stadtwald ein wichtiger Lieferant des nachhaltig verfügbaren Roh-, Bau-, und Werkstoffs Holz.

Mit einer Größe von 887 Hektar ist der Wald Eigentum der Stadt Gera. Dabei unterliegen etwa 60 % der gesamten städtischen Waldfläche dem Schutzstatus. Kommunale Aufgaben umfassen im Wesentlichen die Bewirtschaftung des Waldes, die Pflege der Bestände unter Vorgabe des zehnjährigen Forstwirtschaftsplanes, Holzvermarktung und Holzverkauf sowie die Pflege und Unterhaltung von Erholungseinrichtungen. Charakteristisch für den Geraer Stadtwald ist sein vergleichsweise hoher Anteil an Laubholz, der ihn resistenter gegenüber Trockenschäden und Schädlingsbefall macht als beispielsweise den Thüringer Wald mit seinem hohen Fichtenbestand.

Ursächlich für den Nadelholzreinbestand in vielen deutschen Wäldern ist die vermehrte Verhüttung von Eisenerzen zur Herstellung von Eisen in Zeiten der Industrialisierung. Dazu wurde Holzkohle in großer Menge benötigt; die Nachfrage nach Holz stieg und führte zur deutschlandweiten Anpflanzung von Nadelholzreinbeständen – ein Garant für die schnelle Holzproduktion in großen Mengen. Etwaige Auswirkungen auf die Umwelt und die dauerhafte Stabilität der Bestände waren in jener Zeit irrelevant. Mittelfristig wird im Thüringer Wald wie in anderen Forsten Deutschlands der Anteil der Fichte waldbaulich zugunsten von Laubbaumarten wie Buche und Weißtanne zurückgeführt und mithin eine Baumartenausstattung angestrebt, die dem natürlichen Artenvorkommen nahekommt.

Zur Sicherstellung einer nachhaltigen, umweltfreundlichen, ökonomisch tragfähigen und sozialförderlichen Forstwirtschaft haben sich verschiedene Zertifizierungssysteme mit strengen Auflagen etabliert. Siegel wie FSC (Forest Stewardship Council) und PEFC (Programm für die Anerkennung von Forstzertifizierungssystemen) bescheinigen Holz- und Möbelkäufern unter anderem, dass das Holz aus nachhaltiger Produktion stammt und ausschließlich bodenschonende Holzerntetechniken angewandt wurden.

Schäden, Maßnahmen und Hilfen in Thüringen

Nach Angaben von Thüringenforst fielen 2018 rund 0,8 Millionen Festmeter Borkenkäferschadholz sowie rund eine Million Festmeter Schadholz durch Trockenheit an. 2019 fielen 2,3 Millionen Festmeter Borkenkäferschadholz an, hinzu kamen rund eine Million Festmeter Trockenschäden insbesondere an Buche. 2019 sind thüringenweit rund 20.000 Hektar Schadfläche erfasst worden, 2020 wird diese Schadflächengröße vermutlich deutlich übertroffen. Damit kämpfen Wald, Waldbesitzer und Förster mit den größten Herausforderungen seit rund einhundert Jahren.

Die Fichte, mit 38 % Anteil wichtigste Baumart im Freistaat, ist die vom Borkenkäfer, Sturm und Dürre am heftigsten geschädigte Baumart. Dies betrifft insbesondere jene Fichtenflächen in ganz Thüringen, die bis zu einer Höhenlage von etwa 400 Meter auftreten. Hier muss klimawandelbedingt mit einem vollständigen Verlust der Baumart Fichte und damit dem Verlust ganzer Nadelwaldgebiete gerechnet werden. Anders verhält es sich in den Mittelgebirgslagen des Thüringer Waldes, des Ostthüringer Schiefergebirges und des Südharzes. Dort kommt die Baumart Fichte, zusammen mit Weißtanne, Buche und Bergahorn, im Bergmischwald natürlich vor, vor allem in den Hoch- und Kammlagen. Auch wenn hier der Borkenkäfer inzwischen auch wütet, die Fichte wird dort als Mischbaumart auch in Zukunft landschaftsprägend bleiben.

Gegenmaßnahmen gibt es derzeit vor allem zur Eindämmung der Borkenkäfermassenvermehrung und ihrer Folgen, indem frisch befallene Fichten unverzüglich erkannt, eingeschlagen und aus dem Wald gebracht werden. Diese Maßnahmen unterbrechen wirkungsvoll die Infektionskette und verhindern eine weitere Ausbreitung der Käferschäden. Darüber hinaus gilt es für Förster und Waldbesitzer, Trockenschäden, vorzugsweise an der Baumart Buche, festzustellen, einzuschlagen und einer technisch sinnvollen Verwendung zuzuführen, wenn eine Gefährdung für Dritte, etwa an Hauptwanderwegen, besteht.

Mit dem Waldumbau hin zu klimastabilen Mischbeständen wird angestrebt, die Zukunftsfähigkeit des „Grünen Herzens Deutschland“ zu sichern. Dabei kommen Baumarten zur Anwendung, die Trockenheit besser ertragen können, etwa die heimische Eiche, Linde, Weißtanne, Kiefer, Wildobst und Elsbeer. Diese werden ergänzt um nichtheimische Baumarten, die seit Jahrhunderten in Deutschland angebaut werden, beispielsweise die Douglasie, Lärche, Schwarzkiefer, Roteiche, und Robinie. Der Anbau extrem trockenresistenter exotischer Baumarten, wie Türkische Tanne, Libanonzeder, Orient-Buche, Hemlocktanne usw. bedarf noch weiterer Erforschung, bevor eine Empfehlung für die heimische Region gegeben werden kann. Damit sind für alle möglichen Klimaszenarien Entscheidungsoptionen vorhanden.

Die Bundesregierung hat ein Hilfspaket in Höhe von 700 Millionen Euro zur Rettung des deutschen Waldes initiiert. Die Landesregierung hat Fördermittel für private und kommunale Waldbesitzer 2020 auf 21 Millionen Euro aufgestockt. Mit dem „Maßnahmenplan Dürre, Sturm und Borkenkäfer 2019 bis 2022“ ist weitere Unterstützung für die Waldbesitzer im Freistaat initiiert worden.

QUELLE: STADTVERWALTUNG

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