EINORDNUNGEN NACH DEN VERSAMMLUNGEN IN BERLIN

Wurden die Versammlungen in Berlin, bei denen am 29. August 2020 zahlreiche Menschen gegen die Corona-Politik demonstrierten, von sogenannten V-Leuten des Verfassungsschutzes und der Polizei beeinflusst? Diesen Verdacht hegt der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Gregor Gysi. Wie das Nachrichtenmagazin Focus schreibt, vermutet der Politiker, dass Gewaltausbrüche bewusst provoziert wurden, um vom eigentlichen Anliegen der Demonstranten abzulenken. Jedoch sei er kein Verschwörungstheoretiker. Gysi verdächtige die Sicherheitsbehörden, bei politischen Demonstrationen gezielt Gewalt anzuzetteln. Hinterher werde bloß noch über die Gewalt und nicht mehr über das eigentliche Anliegen diskutiert. Für seine Äußerung erntete Gysi sowohl Kritik als auch Zustimmung.

Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Radek, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, Rechtsextremisten seien dabei, die Bewegung komplett zu kapern. Seiner Meinung nach radikalisiert sich die Bewegung gegen die Corona-Maßnahmen. Wer weiterhin an diesen Bewegungen teilnehmen wolle, müsse sich fragen, ob er sich mit den Rechtsextremisten gemein machen wolle.

Eine esoterische Heilpraktikerin, die zugleich Verschwörungstheoretikerin sei, habe dazu aufgerufen, das Reichstagsgebäude zu stürmen, hieß es im Heute-Journal des ZDF vom 31. August 2020. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte, diese Demonstration spiegele nicht die Gesamtstimmung im Land wider. Laut Umfragen genieße die Corona-Politik der Regierung eine große Zustimmung. Er sei besorgt darüber, dass die Regenbogenflagge auf einmal zusammen mit der Reichsflagge bei derselben Demonstration zu sehen ist.

Nach Ansicht des Deutschlandfunks mischten sich bei der Hauptveranstaltung vor der Siegessäule biedere Schwaben, Impfgegner, Esoteriker, Putinisten, Trumpisten, Globalisierungsgegner, libertäre Hippies und Rechtsnationalisten. In einem Artikel wird der Fokus auf Esoteriker gelegt. Sie seien keine fest definierte Gruppe, sondern quer durch alle gesellschaftlichen Schichten vertreten. Ihre eigene Erfahrungswelt würden sie über das Prinzip der Vernunft erheben, und daraus eine Weltsicht machen. Esoterik sei ein Motor für Verschwörungserzählungen, und es bestehe eine Verbindung zum Rechtsextremismus. Zwischen beiden Gruppen gebe es schon lange Schnittmengen.

Der Bundespräsident sagte, wer sich über die Corona-Maßnahmen ärgere oder deren Notwendigkeit anzweifele, könne und dürfe dagegen demonstrieren. Sein Verständnis ende aber dort, „wo Demonstranten sich vor den Karren von Demokratiefeinden und politischen Hetzern spannen lassen“. Wer auf den Straßen den Schulterschluss mit Rechtsextremisten suche, aber auch wer nur gleichgültig neben Neonazis, Fremdenfeinden und Antisemiten herlaufe, wer sich nicht eindeutig und aktiv abgrenze, mache sich mit ihnen gemein, ist der Bundespräsident überzeugt.

Nachdem auch anderswo zahlreiche Menschen gegen die Corona-Restriktionen demonstriert hatten, rief der Vorsitzende der WHO die Regierungen dazu auf, in einen Dialog mit den Demonstranten zu treten. Diese müssten jedoch auch einsehen, dass das Virus real und gefählich sei. Es breite sich aus und es töte.

Unter den Demonstranten ist man vielfach der Meinung, dass vom eigentlichen Thema abgelenkt werde, sodass sich der Diskurs verlagere. Die vor dem Reichstagsgebäude entstandenen Bilder würden verwendet, um die Aufmerksamkeit der Medienkonsumenten auf den politisch rechten Bereich zu lenken, und die Kritiker der Corona-Maßnahmen als Teil dieser Seite darzustellen.

Kritisiert wird unter anderem, dass über die Zahl der tatsächlich erkrankten nicht gesprochen wird. Täglich veröffentliche man unter dem Begriff „Infizierte“ absolute Zahlen, ohne sie in ein Verhältnis zu setzen, und ohne zu erwähnen, dass es sich lediglich um positiv getestete Personen handele, die mehrheitlich keine Symptome zeigten und nicht zwangsläufig ansteckend seien, da der Test auch auf nichtinfektiöse Virusfragmente reagiere. Zudem habe man die Kriterien für das Ende der Ausnahmesituation immer dann geändert, wenn es sich abzeichnete, dass sie bald erfüllt seien. So sei anfangs die Auslastung der Krankenhausbetten maßgebend gewesen, danach der Zuwachs der Infektionsrate, Verdoppelungszeit, Reproduktionszahl, und nun die absolute Zahl sogenannter Infizierter. Man gewinne den Eindruck, die Dramatik sei entscheidend für die Auswahl der Begriffe und Maßstäbe. Mit der gleichzeitigen Diffamierungsrhetorik, die Kritikern von Seiten der Politik und Medien entgegenschlage, wenn sie deren Überzeugungen nicht teilten, würden negative Emotionen wie Wut und Hass geradezu verstärkt.

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