FORSCHUNG FÜHRT WISSENSCHAFTLER NACH GERA

Zu sehen ist Svenja Arlt von der Universität Köln bei der Auswahl geeigneter Zähne und Knochen aus der Lindentaler Hyänenhöhle in Gera. (Bild: David Hoffmann, Stadtverwaltung)

Am 9. September 2020 reiste Svenja Arlt von der Universität Köln im Naturkundemuseum Gera an, um geeignete Knochen und Zähne von Wollhaarnashorn, Wisent, Rentier und Pferd aus der Lindentaler Hyänenhöhle für Untersuchungen auszuwählen. „Aus der Lindentaler Hyänenhöhle existieren erstaunlich viele Rentierzähne, die bei vielen anderen Fundplätzen selten sind oder gar ganz fehlen“, so Arlt. Zunächst werden die Objekte fotografiert und mit dem Laserscanner aufgenommen. Anhand von Proben, die unter der Leitung von Dr. Stephanie Kusch an Knochen und Zähnen entnommen werden, wird eine Sauerstoff- und Strontium-Isotopenuntersuchung durchgeführt. Dies geschieht unter der Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Michael Staubwasser von der AG Umweltisotopenchemie der Universität Köln. Die Altersbestimmung der Proben mittels einer Radiocarbondatierung (C14) erfolgt dann in Oxford (UK). „Die Untersuchungsergebnisse, die in einem Jahr zu erwarten sind, werden unser Verständnis der Lindentaler Hyänenhöhle erheblich schärfen“, davon ist Museumspädagoge des Naturkundemuseums Frank Hrouda überzeugt. Die Kölner Wissenschaftler, die auf diese Art und Weise Knochenmaterial von über 30 weiteren mitteleuropäischen Fundstellen nehmen, werden so anhand der gewonnenen Daten die Umweltbedingungen der letzten mitteleuropäischen Neandertaler besser rekonstruieren können.

Das Geraer Museum für Naturkunde gewinnt auf einen Schlag eine Fülle ungeahnter Erkenntnisse über wichtiges Material seiner Sammlung, insbesondere durch die zahlreichen kostspieligen Altersdatierungen des Knochenmaterials. Erst 2017 erfolgten, auch durch die Möglichkeiten eines externen Forschungsprojektes, die ersten beiden Altersdatierungen von Knochenmaterial der Lindentaler Hyänenhöhle. Die gewonnenen Daten waren überraschend, wurde doch in einem Falle ein Alter von nur etwa 20’000 Jahren datiert.

Erst vor wenigen Wochen besuchte die Paläontologiestudentin Alicja Wolska von der Universität Breslau/Polen im Zuge ihrer Masterarbeit das Museum für Naturkunde Gera. Für ihre Studien benötigte sie gut erhaltene Oberkieferzähne des eiszeitlichen Wollhaar- bzw. Fellnashorns. Die im Museum aufbewahrten Zähne des bekannten Pohlitzer Wollhaarnashorns waren dafür gut geeignet und wurden detailliert vermessen, um im Rahmen ihrer Masterarbeit neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Hintergrund
Die Kölner Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Dr. Jürgen Richter erforschen seit 2009 im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 806 „Unser Weg nach Europa“ die Menschheits- und Umweltgeschichte während der Entstehung der anatomisch modernen Menschen vor 190’000 Jahren in Afrika und ihre Einwanderung nach Europa, vor allem die dort stattgefundenen Ausbreitungs- und Rückzugsbewegungen prähistorischer Populationen.

Die Lindentaler Hyänenhöhle wurde im Spätherbst 1874 im heutigen Stadtteil Pforten im Kreuzungsbereich der Pfortener Straße und der Robert-Blum-Straße entdeckt. Sie bestand aus zwei Felsspalten und war gefüllt mit zahllosen Knochen, Knochensplittern und Zähnen, denn die Höhle war ein sogenannter Hyänenhorst, wie er von Höhlenhyänen mindestens zum Auffressen der Beute und wahrscheinlich auch zum Aufziehen der Jungen genutzt wurde. Im Fall der Lindentaler Hyänenhöhle enthielt das Lockermaterial in den Felsspalten Knochenreste von mehr als 30 eiszeitlichen Tierarten. Auch viele Reste der Höhlenhyäne selbst wurden gefunden, darunter sehr junge aber auch alte Tiere mit verknöchertem Kiefer und bis auf die Wurzel abgenutzten Zähnen.

QUELLE: STADTVERWALTUNG

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