WARUM WOLLEN SICH EINIGE MENSCHEN NICHT IMPFEN LASSEN?

Für die meisten ist es eine eindeutige Sache: Weltweit hat sich eine gefährliche Krankheit ausgebreitet, und glücklicherweise konnten Impfstoffe entwickelt werden, mit denen man sich und andere schützen kann. Wer dagegen nicht plane, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen, weil er keine Angst vor diesem habe, sei egoistisch. So ähnlich konnte man es auch am 5. Juli 2021 in einem Kommentar der Ostthüringer Zeitung lesen.

Dabei sind die Beweggründe jener, die sich nicht impfen lassen wollen, recht unterschiedlich. Einige wenige sind generelle Impfgegener, andere lehnen nur die Impfungen im Zusammenhang mit dem neuartigen Corona-Virus ab. Der größere Teil sind die sogenannten Unentschlossenen, welche zunächst abwarten wollen.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass mit niederschwelligen Angeboten und mit Hilfe der Medien die meisten Zögerer erreicht und doch noch zum Impfen bewegt werden können. Schätzungsweise ein Zehntel der Bürger blieb dann bei der Entscheidung gegen die Impfung. Doch welche Denkweisen führen dazu, dass der „kleine Piks“, wie man die Applikation oftmals bezeichnet, weiterhin abgelehnt wird?

Wichtig ist es zunächst, deeskalierend an das Thema heranzugehen, und den Eindruck von zwei einander gegenüberstehenden Gruppen zu vermeiden. Diskussionen sollten auch in diesem Falle die Möglichkeit eröffnen, eine Erklärung für die Entscheidung anderer Menschen zu suchen, und nicht in der Zuweisung abwertender Attribute enden.

Die Skepsis gilt nämlich nicht immer nur allein dem Impfstoff. Unter den Ablehnern begründen viele ihren Argwohn auch mit der begleitenden Rhetorik und den verwendeten Metaphern, die eine Gefahr und die Impfung als alleinige Rettung verbildlichen. Daraus werden Rückschlüsse gezogen. Vielfach sieht man hier die Gesellschaft am Beginn eines Weges, der Fragen wie diese aufwirft:

Kann ein pharmazeutisches Produkt als Indikator für Vernunft und Unvernunft herangezogen werden, und darüber hinaus auch entscheiden, wer am gesellschaftlichen Leben teilnehmen darf? Was bedeuted es, wenn sich Menschen künftig durch den Nachweis präventivmedizinischer Eingriffe legitimieren müssen? Darf eine gesamte Gesellschaft für unbestimmte Zeit in Solidarhaft genommen werden, wenn die vulnerable Gruppe bereits geschützt ist? Wieviel Solidarität kann der Gesetzgeber zu Lasten der körperlichen Unversehrtheit einfordern, und wo ist hier die sprichwörtliche rote Linie?

Zu beobachten ist auch eine gegensätzliche Wirkung dessen, was politische Entscheider als Impfanreiz bezeichnen. Während sich viele Unentschlossene mit Vokabeln wie „Freiheit“, „Sicherheit“, „Solidarität“, „Verantwortung“ oder gar Bratwürsten bereits haben umstimmen lassen, verstärkt ebendies bei Skeptikern den Argwohn um so mehr. Mitunter gewinnen sie den Eindruck eines sich entwicklenden Kultes als Teil einer neuen Ersatzreligion. Mit Blick auf die Impfkampagne, die Maßnahmen und die angelegte organisatorische und technische Infrastruktur gelangen sie schließlich zu der Annahme, dass es sich um ein längerfristiges Unterfangen handelt und scheinbare Begeleiterscheinungen den Weg in eine ganz bestimmte Richtung ebnen.

Einstweilen dürften die gesellschaftlichen Abgrenzungen mit steigender Impfquote zunehmen, und damit auch die verbalen Zurechtweisungen und Anfeindungen. Am Ende dieses Abschnitts wird sich schließlich die Frage stellen, ob die dann verwendeten Vokabeln etwas zur Zukunftsfähigkeit derer aussagen, die sie verinnerlicht haben.

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