LISA SOMMERFELDT ÜBER „DAS PERFEKTESTE TIER DES UNIVERSUMS“

Lisa Sommerfeldt schreibt Theaterstücke und Hörspiele. (Bild: Theater/Pawel Mazur)

Was bedeutet eigentlich perfekt? Was gilt als normal und was als „anders“ oder „falsch“? Genau mit diesem Thema hat sich die mehrfach ausgezeichnete Dramatikerin Lisa Sommerfeldt beschäftigt und mit Das perfekteste Tier des Universums ein Theaterstück zu diesem Themenfeld für Familien und insbesondere Kinder entwickelt. Die Inszenierung ist nun erstmals am 31. Oktober in der Spielstätte Bühne am Park Gera zu sehen.

Sie widmen sich in „Das perfekteste Tier des Universums“ dem Thema Bodyshaming. Was hat Sie bewogen zu diesem Thema ein Theaterstück für ein junges Publikum ab sechs Jahren zu entwickeln?

Ich beobachte in meiner Umgebung, wie durch die sogenannten sozialen Medien, durch omnipräsente Fernsehserien und Filme und auch durch die Werbung starke und unrealistische Schönheitsstandards gesetzt werden. Und durch die Selfiekultur und Tiktok und das ständige Sich-Selbst-Filmen und auch das andauernde Fotografiertwerden, ist das eigene Aussehen Kindern sehr früh bewusst. Früher telefonierte man, heute zoomt man. Es ist eine Verschiebung weg vom Wort hin zum Bild. Und es ist auch ein Privatsphäre-Verlust. Alles wird andauernd dokumentiert. Gleichzeitig werden im Internet und Fernsehen Menschen präsentiert, die sich durch Schönheitsoperationen ihrer Meinung nach optimiert haben, die aufwändig geschminkt und ins rechte Licht gesetzt sind. Außerdem sind Fotos oft retuschiert, Filme mit Filtern versehen. Das Aussehen der Menschen in diesen Produkten wird aber nicht als Kunstprodukt markiert, sondern als normal und natürlich verkauft. Und so setzt sehr früh das Wissen darüber ein, wie weit das eigene Aussehen vom vorgegebenen Idealbild abweicht. Alle anderen da draußen scheinen perfekt zu sein und mühelos dieser Schönheitsnorm zu entsprechen, und das zu jeder erdenklichen Uhrzeit – nur man selbst fühlt sich falsch und unvollkommen.

Wie übersetzt man diese komplexen Themen in eine kindgerechte Szenerie und Sprache?

Ich arbeite mit Traum- und Fabelelementen, schicke meine Heldin in ein poetisches Computerspiel, eine skurile Castingshow. Wir greifen diese ernsten Themen mit sehr viel Leichtigkeit und Phantasie auf und erzählen eine turbulente und humorvolle Geschichte. Durch diese Parallelebene kann man sehr gut die Absurdität und Grausamkeit von Schönheitsnormen, den unnötigen Wettbewerb entlarven und sich fragen, was im Leben wirklich wichtig ist.

Worin sehen Sie Probleme, dass bereits schon Kinder über soziale Medien mit Körpernormen konfrontiert werden?

Ich denke, Kinder sollten frei und unbefangen sein und sich nicht zu sehr um ihr Aussehen kümmern. Sie sollten nicht ständig optisch gefallen müssen. Und sie sollten nicht lernen, dass Äußerlichkeiten wichtiger als alles andere sind. Wenn sie in diese Falle gehen, werden sie ihr Leben lang an ihrem Aussehen, ihrem Körper herumdoktern. Das raubt Zeit und macht unglücklich, im schlimmsten Fall sogar krank. Und mit zunehmendem Alter wird es immer schwieriger, den Ansprüchen der Gesellschaft zu genügen. Hier sollte man die Anstrengungen weniger in das eigene Aussehen, als vielmehr in einen Kampf für ein Umdenken in der Gesellschaft stecken. Man kann mit der Zeit, die man vor dem Spiegel verbringt und auf der Waage steht, sehr viel Sinnvolleres machen! Und man sollte sich fragen: wem will ich eigentlich gefallen? Und wer darf bestimmen, wie ich sein soll?

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem Theater Altenburg Gera?

Ich habe mit der Regisseurin und Dramaturgin Dr. Sophie Oldenstein bereits am Landestheater Eisenach zusammengearbeitet. Und hatte mir immer gewünscht, diese schöne Arbeit fortzusetzen. Als das Theater Altenburg Gera mich also anfragte, ob ich Lust hätte, ein Stück zu schreiben, war ich gleich sehr begeistert. Und ein interessantes Thema hatten wir dann auch schnell gefunden.

Was ist Ihr Lieblingstier und warum ist es „Das perfekteste Tier des Universums“?

Ich mag Igel wegen ihren Stacheln, und weil sie so laut und lustig schmatzen. Und ich schaue immer nach Delfinen, wenn ich am Meer bin. In Kambodscha habe ich sogar mal einen Flussdelfin gesehen. Jedes Tier ist auf seine eigene, unverwechselbare Art wundervoll – und diese unglaubliche Vielfalt macht in der Summe die Perfektion aus.

Zur Person

Lisa Sommerfeldt schreibt Theaterstücke und Hörspiele. Als Dramatikerin sieht sie sich als Teil des erweiterten Ensembles, ihre Texte entstehen in enger Zusammenarbeit mit Dramaturgie und Regie. Zahlreiche Auftragswerke für Theater, unter anderem für die Kulturstiftung von Landestheater Eisenach und Staatstheater Meiningen, das Theater Ulm, das Theater der Stadt Aalen und die Oper Bonn. Für ihren Stückentwurf „Der dunkle Vogel“ erhielt sie 2016 das Projektstipendium des „Kinder- und Jugendtheaterpreises Baden-Württemberg“. Lisa Sommerfeldt war 2017 Stipendiatin der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur im Künstlerhaus Edenkoben, 18/19 Stipendiatin des 1:1 Mentoring der NRW Literaturbüros und 2019 des Künstlerhofes Schreyahn. 2020 erhielt sie ein Arbeitsstipendium des Landes NRW. Außerdem war Lisa Sommerfeldt 2021 Stipendiatin der Villa Decius in Krakau, Residenzautorin am Eppinger Figurentheater und erhielt ein INITIAL Sonderstipendium der Akademie der Künste. In der WDR-Audiothek kann man ihre Hörspiele „wing.suit“, „Dorfdisco“ und „stadt.land.fluss oder die konstruktion der liebe“ abrufen. Stücke von ihr wurden ins Polnische, Englische, Französische und Russische übersetzt.

QUELLE: THEATER ALTENBURG GERA GGMBH

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