JOURNALISTEN-NEBENTÄTIGKEITEN: NEUE LISTEN UND REAKTIONEN

Linda Zervakis moderiert zusammen mit Matthias Opdenhövel ein Journal im Fernsehprogramm Pro Sieben. (Bildschirmfotografie)

Bereits in der Vergangenheit war es nicht unüblich, dass Journalisten, die beim öffentlich-rechtlichen bzw. dem kommerziellen Rundfunk oder großen Zeitungen tätig waren, auch Aufträge von der Regierung angenommen haben und von dieser dafür bezahlt wurden. Dem wurde vielfach keine Beachtung geschenkt. Nachdem die TAZ im Januar 2023 darüber berichtet hatte, dass Linda Zervakis für ihr Interview mit Bundeskanzler Scholz bei der „Republika 22“, hier die Veranstaltung vom 11. Juni 2022, Geld direkt vom Bundeskanzleramt erhielt, stellte die AFD-Bundestagsfraktion noch am selben Tag eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. Sie wollte wissen, ob in den letzten fünf Jahren vergütete Aufträge, Honorare oder sonstige Zahlungen von Bundesministerien oder Bundesbehörden an freie, festangestellte, neben- und hauptberufliche Journalisten von ARD, ZDF, Deutschlandradio oder Deutsche Welle beziehungsweise von privatrechtlichen Rundfunksendern, Zeitungen oder sonstigen Medienerzeugnissen ergangen sind.

Die Bundesregierung antwortete am 1. März 2023 und fügte eine Liste bei, die Drucksache 20/5822, mit Angaben für 2018 bis Anfang 2023. Darin aufgeführt waren 197 Journalisten und eine gezahlte Gesamtsumme von rund 1,47 Millionen Euro. Jedoch wurden die Journalisten nicht namentlich, sondern anonymisiert mit Nummern versehen. Einige wie Linda Zervakis, Judith Rakers, Anne Gellinek und Johannes B. Kerner konnten jedoch ermittelt werden. In einer Nachmeldung zur Kleinen Anfrage der AFD übermittelte die Bundesregierung dann zwei aktualisierte Tabellen als Anlage. Nach der Sichtung reagierte die Partei am 6. April 2023 mit einer Mitteilung:

Der Skandal um von der Bundesregierung bezahlte Journalisten weitet sich aus.

Die bisher in diesem Zusammenhang bekannte Summe von 1,47 Millionen Euro für den Zeitraum 2018 bis 2023 ist deutlich nach oben zu korrigieren, wie die Bundesregierung jetzt einräumen musste.
Demnach beläuft sich die derzeit aktuelle Summe auf gut 2,1 Millionen Euro für den genannten Zeitraum. Maßgeblich verantwortlich für das deutlich Plus von etwa 650 Tausend Euro sind das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium. Beide Behörden hatten bislang keine Zahlen vorgelegt. Unter Berücksichtigung einiger von der Bundesregierung nun korrigierten Zahlen ist der gesamte Zuwachs ausgerechnet Journalisten zuzurechnen, die beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk angestellt sind.

Zu den von der Bundesregierung neu angegebenen Zahlen äußert sich Martin E. Renner, medienpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion:

„Die neuen Zahlen der Bundesregierung zeigen deutlich, dass der Sumpf offenbar tiefer ist, als schon bekannt. Dass zahlreiche Journalisten so bereitwillig gegen ihren Berufsethos verstoßen, steht auf einem Blatt. Auf einem ganz anderen Blatt steht dagegen, dass die Bundesregierung sich offenbar gezielt prominente Journalisten aussucht und mit sehr großzügig bezahlten Nebentätigkeiten versorgt. Teilweise sogar regelmäßig. Und der Öffentlichkeit dennoch unentwegt das Hohelied vom unabhängigen, staatsfernen und kritischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorheuchelt.
Wir haben bereits weitere Anfragen eingereicht, um in dieser Angelegenheit für umfassende Transparenz zu sorgen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, sich ein Urteil bilden zu können — insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um eine weitere Erhöhung der Zwangsgebühren.“

Inzwischen hat die AFD ihre Anfrage auf alle Länder ausgedehnt, in denen sie im Parlament vertreten ist, und erbittet in weiteren Kleinen Anfragen die Offenlegung der Namen und Einzelhonorare der von der Bundesregierung vergüteten Journalisten. Ferner wünscht sie Auskunft zu den Jahren 2013 bis 2017.

Daniel Bröckerhoff, Journalist und Moderator beim NDR-Fernsehen, hat hierzu am 13. April 2023 Stellung bezogen. Er ist zwar nicht auf den Listen angegeben, hat eigenen Angaben zufolge aber ebenfalls Geld von der Bundesregierung erhalten, und zwar für die Veranstaltung „50 Jahre Umweltprogramm“ vom 22. Juni 2021. Diese habe er für das Bundesumweltministerium in Berlin moderiert und dafür 5800 Euro brutto erhalten. Seiner Ansicht nach sind die Listen unvollständig und enthalten gleichzeitig auch Aufträge, für die höchstwahrscheinlich keine Honorare gezahlt worden seien. Man könne überhaupt nicht ersehen, wer wieviel erhalten habe, denn die Liste gebe nur Gesamtsummen der einzelnen Ministerien heraus. Bröckerhoff beschreibt seinen Eindruck, wonach sich der Umgang mit solchen Aufträgen inzwischen geändert habe. Man sei vorsichtiger geworden, vermittelt er. Gleichzeitig übt Bröckerhoff Kritik an Kollegen und nennt „schwierige Fälle“. Viele Mitarbeiter und Anstalten zögen die Grenze sehr subjektiv. Ein weiteres Problem sind aus seiner Sicht die Anstellungen als „freie Mitarbeiter“, die pro produzierter Sendeminute, pro moderierter Sendung oder nach Arbeitstagen bezahlt würden und jederzeit wieder vor die Tür gesetzt werden könnten. Fast niemand, der sein Gesicht in die Kamera halte oder in ein Mikrofon spreche, sei fest angestellt. Diesen „freien Mitarbeitern“ rate man, sich ein zweites Strandbein aufzubauen, unter Beachtung von möglichen Interessenskonflikten. Die mangelnde Sicherheit in der Branche führe auch bei den besserverdienenden Journalisten zu der Einstellung, so viele Aufträge wie möglich mitnehmen zu müssen.

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