
In den Jahren vor der großen Zuwanderungswelle herrschte im Park der Jugend meistens gähnende Leere. Der Bevölkerungsschwund machte sich nämlich nicht nur auf dem Wohnungsmarkt bemerkbar. Manche sagten gar ein langsames Sterben der ganzen Stadt aufgrund zu weniger Menschen voraus. Doch dann kam alles ganz anders. Ursprünglich als Ruhestätte für die Toten angelegt, geht es heute auf dem einstigen Friedhof verhältnismäßig lebhaft zu. Nie zuvor wurde der Park seinem gegenwärtigen Namen derart gerecht.
Mit dieser Belebung häufen sich auch die schlechten Nachrichten. Soziale Netzwerke tragen anschließend dazu bei, dass sich der negative Eindruck verfestigt. Gewalttaten und Polizeieinsätze bleiben in Erinnerung, während die positiven Eindrücke und Erlebnisse schnell in Vergessenheit geraten. Wer häufig vor Ort ist, weiß aber, dass der Park keineswegs mit den begrünten Drogenumschlagplätzen in Hamburg oder Berlin gleichzusetzten ist, wo kriminelle Ausländer und Deutsche aus dem Prekariat eine beängstigende Gemengelage bilden.
Der Park der Jugend war schon vor Jahrzehnten ein Platz für auffällige Minderheiten und wurde schon damals von manchen Leuten gemieden. In gewisser Weise ist das heute wieder so. Er spiegelte nie die vorhandenen sozialen Schichten der ganzen Stadt wider, sondern ist mehr denn je der erweiterte Raum des angrenzenden Wohnviertels. In den meisten Zeiten geht es dort aber friedlich zu — sogar in den Abend- und Nachtstunden.
Tagsüber lädt der Park ein zum Spielen und Verweilen. Am Vormittag sind dort zumeist Rentner sowie junge Männer beim Müßiggang zu erleben; ab der Mittagszeit laufen Schüler hindurch und lassen sich manchmal kurz auf den Bänken nieder. Nachmittags kommen Familien mit ihren Kindern, vorzugsweise aus dem angrenzenden arabischen Viertel, und versammeln sich um den Spielplatz, wo sich Kleinen austoben können. Im Hochsommer sorgen die Bäume für ein recht angenehmes Klima. Auch das Picknick mit Decke, Getränk und Wasserpfeife ist eine beliebte Form des Zusammenseins. Abends dominieren dann arabische und ukrainische Jugendgruppen. Die Polizei ist ebenfalls häufig vor Ort, jedoch nur, um nach dem Rechten zu sehen. Meistens besteht kein Handlungsbedarf.
Wäre es wesentlich ruhiger, wenn sich nur deutsche Jugendliche dort aufhielten? Dass sie in dem Park kaum anzutreffen sind, ist nicht nur eine Folge der sich ändernden Bevölkerungszusammensetzung, sondern auch das Ergebnis neuer Freizeitgewohnheiten. Anders als in den 1970er Jahren sind nicht mehr Parks und Spielplätze die bevorzugten Orte zum „Abhängen“, sondern Facebook, Tiktok und weitere Plattformen. Kinder und Jugendliche, die sich in Vereinen betätigen, sieht man ebenfalls kaum an solchen Orten. Ein ausgewogenes Bild, dass den tatsächlichen Bevölkerungsanteilen und sozialen Schichten in Gera entspricht, kann somit nicht zustandekommen. Der Park der Jugend zeigt auch, dass sich die momentane Entwicklung nicht einfach gradlinig in Richtung Zukunft fortsetzt, sondern im Verlauf immer Haken geschlagen werden — sonst wäre er heute mangels Menschen weitgehend verwaist.
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