WIE SOLL DEUTSCHLAND AUF DIE ZU NIEDRIGE GEBURTENZAHL REAGIEREN?

Erneut hat das Statistische Bundesamt eine Geburtenzahl festgestellt, die weit unterhalb der sogenannten Bestanderhaltungsrate von 2,1 Kindern pro Frau liegt. Zwar hat sich der Rückgang in den letzten Jahren verlangsamt, doch eine Trendwende ist nicht in Sicht. Im vergangenen Jahr lag die Geburtenzahl bei nur noch 1,35 Kindern je Frau. Bei Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit ist so niedrig wie zuletzt vor 30 Jahren, schreibt die Behörde.

Aus den Daten geht hervor, dass die auf 83,6 Millionen Menschen gestiegene Einwohnerzahl einzig auf die Zuwanderung und die anfangs hohe Geburtenzahl in dieser Bevölkerungsgruppe zurückgeht. Ungleichheit, Armut, Perspektivlosigkeit und Verfolgung in anderen Ländern scheinen gewissermaßen lebensnotwendige Voraussetzungen für Deutschland zu sein. Denn ohne die negativen Ausgangsbedingungen fände die Migration nicht statt.

Mit zunehmender Aufenthaltsdauer und in den folgenden Generationen sinkt die Geburtenrate von Menschen mit Migrationshintergrund jedoch sehr deutlich auf das niedrige deutsche Niveau. Der demografische Vorteil der Zuwanderung ist demnach kein dauerhafter, sondern ein einmaliger Effekt pro „Welle“ von Zuwanderung. Es wäre ein ständiger Zustrom neuer, junger Menschen aus unterentwickelten Regionen nötig, um die Bevölkerungspyramide zu stabilisieren, mit der Folge immer weiter steigender Einwohnerzahlen. Denn Deutschland produziert gewissermaßen eine auf dem Kopf stehende Alterspyramide, die sich nicht umkehrt, sondern immer weiter wächst. Aus eigener Kraft kann sich die Bevölkerung, einschließlich der noch hinzukommenden Menschen, an diesem Standort nicht selbst erhalten.

Sinkende Geburtenzahlen sind auch in den meisten anderen höher entwickelten Ländern zu beobachten. Sogar Russland kämpft gegen den Einwohnerschwund, was darauf hindeutet, dass die Ursachen auf einer Ebene mit vielen Übereinstimmungen zu finden sind, und nicht allein der Politik zugeschrieben werden können. Weltweit sind immer mehr Länder betroffen; das Wachstum der Weltbevölkerung verlangsamt sich. Im Jahr 2024 lag die durchschnittliche globale Geburtenrate bei etwa 2,2 Kindern pro Frau. Für 2025 wird mit etwa 1,9 Kindern pro Frau gerechnet, für 2100 mit 1,7 Kindern. Bis 2025 werden über drei Viertel aller Länder eine Geburtenrate unterhalb der Bestanderhaltungsrate haben. Im Jahr 2100 wird das voraussichtlich 198 von 204 Ländern betreffen.

In Regionen mit niedrigem Einkommen, insbesondere in Afrika südlich der Sahara, bleibt die Geburtenrate weiterhin hoch. Prognosen zufolge werden dort bis zum Jahr 2100 mehr als die Hälfte aller Geburten weltweit stattfinden.

Die Regierungen reagieren sehr unterschiedlich. Einige versuchen, hohe oder niedrige Geburtenraten mit politischen Maßnahmen zu steuern. Der Erfolg ist allerdings begrenzt. Russland, das sich in einer demografischen Krise befindet, will die Geburtenrate durch staatliches Gegensteuern erhöhen. Es fördert traditionell-patriarchale Familienmodelle, meist verbunden mit einer Ablehnung westlicher Geschlechterpolitik und LGBTQ-Modellen. Dieser Weg wird in Deutschland allerdings als rückschrittlich und gefährlich angesehen. Laut Prognosen werden in Russland bis 2030 rund elf Millionen Arbeitskräfte fehlen. Doch trotz der bereits laufenden Maßnahmen steigt die Fertilitätsrate dort nicht über das Bestandserhaltungsniveau.

Mit der sinkenden Geburtenrate gehen auch dann dann weitreichende gesellschaftliche Veränderungen einher, wenn die Lösung in einer hohen Zuwanderung gesehen wird. Der schnelle ethnische und kulturelle Wandel spaltet die Bevölkerung, führt zu einer Fragmentierung der Gesellschaft in einzelne Gruppen und steigert den Frust unter den Neuankömmlingen insbesondere dann, wenn das Zielland weder verbindende Ziele noch Perspektiven bietet.

In der Wahrnehmung vieler Männer mit Migrationshintergrund, die aus Ländern mit hohen Geburtenraten kommen, liegt die Ursache für ihre Zurückhaltung darin, dass bei einer Scheidung „die Frau alles bekommt“ und das System Frauen begünstigt. Das Risiko „alles zu verlieren“ wolle man in Staaten, die keine hohen Hürden für Scheidungen haben, nicht eingehen. Als weitere wesentliche Faktoren werden die veränderten sozialen Rollen, die hohe Erwerbstätigkeit von Frauen und die Entscheidungsmöglichkeiten für ein autonomes Leben genannt. Der Mann sieht sich benachteiligt, wenn die Frau eine Trennung erwirkt und sie die Kinder mitnimmt. In den meisten Industriestaaten ist der Elternteil, bei dem das Kind nicht überwiegend lebt, gesetzlich zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. In traditionell geprägten oder muslimisch dominierten Regionen gibt es derartige Regelungen nicht und es herrschen andere Vorstellungen.

In Deutschland soll die Geburtenrate durch Maßnahmen erhöht werden, die zu den herrschenden Wertevorstellungen passen. Dazu gehört die finanzielle Unterstützung, eine verbesserte Kinderbetreuung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Aufwendungen dafür sind allerdings hoch und könnten infrage gestellt werden, wenn sich die finanziellen Prioritäten verändern.

Einzelne Stimmen befürworten sogar die gezielte politische Steuerung einer geordneten Bevölkerungsschrumpfung. Einen solchen Prozess system- und gesellschaftsverträglich zu gestalten, ist jedoch eine noch größere Herausforderung. Nötig wären gezielte, koordinierte Strategien, die über reines Wachstum hinausdenken und eine umfassende Integration sozialer, ökonomischer und räumlicher Faktoren anstreben. Die Politik müsste eine vorausschauende Planung beginnen, die sowohl die Möglichkeiten der Schrumpfung nutzt als auch Anpassungen an veränderte demografische Strukturen ermöglicht. Eine sinkende Bevölkerungszahl wirkt sich unter anderem auf die Versorgung mit Infrastruktur und Dienstleistungen aus. Vieles müsste reduziert werden, was in der Wirtschaft keinen Zuspruch finden wird. Denn diese basiert auf traditionellen Wachstumsmodellen, die bei rückläufigen Verbraucherzahlen zusammenbrechen.

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