
Otto Dix und Kurt Günther gelten als Hauptvertreter der Neuen Sachlichkeit, einer Stilrichtung, die sich eine möglichst objektive und pointierte Abbildung gesellschaftlicher Realitäten zum Ziel setzte und damit in den 1920er Jahren international für Furore sorgte. Seit dem vergangenen Jahr präsentiert die Kunstsammlung Gera in der Orangerie unter dem Titel „Otto Dix. Trau Deinen Augen“ eine neue Werkschau zu dem Geraer Maler. Auf der Dresdner Kunstakademie lernte Dix nach dem Ersten Weltkrieg den ebenfalls in Gera gebürtigen Maler Kurt Günther kennen. In der Weimarer Republik gefeiert, von den Nationalsozialisten geächtet, waren beide nach dem Zweiten Weltkrieg darum bemüht, sich im geteilten Deutschland neu zu positionieren und wieder Anerkennung zu finden.
Der Kunstsammlung Gera ist es nun gelungen, vier kunsthistorisch und lokalgeschichtlich bedeutsame Werke von Kurt Günther – ein Ölgemälde, zwei Aquarelle sowie eine Graphitzeichnung – zu erwerben.
Bildnis Anneliese Biermann
Maler: Kurt Günther
Entstehungsjahr: 1935
Fertigung: Öl auf Leinwand
Eigentümer: Kunstsammlung Gera
Liegender weiblicher Akt
Maler: Kurt Günther
Entstehungsjahr: 1928
Fertigung: Aquarell und Tempera auf Papier
Eigentümer: Kunstsammlung Gera
Liegende mit gespreizten Beinen
Maler: Kurt Günther
Entstehungsjahr: um 1928
Fertigung: Aquarell und Tempera auf Papier
Eigentümer: Kunstsammlung Gera
Elisabeth mit verschränkten Armen
Maler: Kurt Günther
Entstehungsjahr: 1928
Fertigung: Graphit auf Papier
Eigentümer: Kunstsammlung Gera
Porträt Werner Niescher
Maler: Otto Dix
Entstehungsjahr: 1934
Fertigung: Kreide, Rötel, weiß gehöht
Herkunft: Dauerleihgabe aus Privatbesitz Mannheim
Diese werden gemeinsam mit einer Zeichnung von Otto Dix im Mittelpavillon der Orangerie präsentiert. Oberbürgermeister Kurt Dannenberg sagte in seiner Rede:
„Ich bin sehr glücklich, dass die Stadt Gera erstmals seit Jahren in der Lage ist, derartige Ankäufe zu tätigen und damit ihr kulturelles Erbe zu sichern sowie mit ihren Ausstellungen die überregionale Strahlkraft zu steigern.“
Das Bildnis der Anneliese Biermannn von Kurt Günther entstand 1935. Die dargestellte Person, eine Nichte der renommierten neusachlichen Fotografin Aenne Biermann, welcher im Museum für Angewandte Kunst Gera ein eigenes Kabinett gewidmet ist, war Spross einer jüdischen Kaufmannsfamilie. Die Biermanns wohnten in Untermhaus in der sogenannten Biermannvilla. Das Gemälde der damals 14-jährigen Anneliese ist ein Zeugnis dafür, dass Kurt Günther in dieser Zeit freundschaftliche Beziehungen zu der jüdischen Familie unterhielt. Der melancholische Blick der Jugendlichen und die schlichte Atmosphäre spiegeln eindrucksvoll die emotionale Situation der Familie wider, die sich zunehmend den Diskriminierungen und Verfolgungen der Nationalsozialisten ausgesetzt sah.
Kurt Günther entwickelte während der 1920er Jahren in Porträt- und Frauendarstellungen eine erotische Variante der Neuen Sachlichkeit. Die beiden Aquarelle von 1928 stehen beispielhaft dafür: Die Dargestellten werden – mal gekleidet, mal entblößt – auf die weiblichen Aspekte ihrer Körper reduziert, die jeweils diagonal die Bildfläche beherrschen und den Betrachter unmittelbar adressieren. Die Graphitzeichnung aus demselben Jahr stellt die Geliebte des Künstlers gedankenverloren mit verschränkten Armen dar.
Der bisherige Eigentümer dieser Werke war jahrelang Mitglied im Förderverein Freunde und Förderer der Kunstsammlung Gera e. V. und unterstützte verschiedene Projekte. Nach dessen Tod haben sich die Vertreter des Nachlasses dazu entschieden, vier herausragende Objekte der Kunstsammlung Gera zu überlassen.
Im Jahr 2021 erhielt die Kunstsammlung Gera mit der Dauerleihgabe der Sammlung Niescher ein umfangreiches Konvolut an Werken von Otto Dix, Ernst Barlach, Paul Klee und weiteren international bedeutenden Künstlern. Sie stammt aus dem Nachlass des Chemnitzer Unternehmers Fritz Emil Niescher, der zu seinen Lebzeiten eine Kunstsammlung aufbaute. Seit kurzem ist die Kunstsammlung nun um eine weitere Leihgabe reicher. Diese stammt aus dem Nachlass von dessen Bruder Arthur Niescher. Arthur ließ seinen Sohn Werner 1934 von Otto Dix porträtieren. Die Zeichnung zeigt den Achtjährigen mit einem Modellauto in den Händen.
QUELLE: STADTVERWALTUNG
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