WIEDER ZUNEHMENDER MIGRATIONSDRUCK AUF MITTELEUROPA

Das im Jahre 2016 geschlossene Flüchtlingsabkommen zwischen EU und Türkei wird von Seiten der Türkei zunehmend in Frage gestellt. In Griechenland kommen inzwischen wieder mehr Menschen an, und die Unruhe ist mittlerweile so groß, dass die Berichte von dort auch in Deutschland für Aufsehen sorgen.

Die Barriere wird immer durchlässiger. Auf Lesbos und anderen griechischen Inseln kommen soviele Zuwanderer an, wie seit dem Jahre 2015 nicht mehr. Die meisten stammen aus Afghanistan, gefolgt von Syrien. Sie überqueren die Aegaeis in Schlauchbooten. Rund 8000 Migranten kamen allein im August 2019 auf den griechischen Inseln an. Im September 2019 erreichten nach Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerks über 10’000 Migranten, vor allem aus Afrika kommend, die griechischen Inseln.

Weil der Platz in den dortigen Lagern nicht mehr ausreicht, ließ die griechische Regierung bereits etliche Menschen auf das Festland verbringen; bis Jahresende sollen weitere 10’000 folgen. Ein Großteil versucht offenbar, zumindest laut den Berichten ausländischer Rundfunkstationen, weiterzureisen nach Mittel- und Nordeuropa. Rund 7000 seien bereits an der nördlichen Grenze des Landes festgestellt worden. In Kroatien rechnet man damit, dass sich bald noch größere Gruppen auf den Weg machen; es wurden 1800 zusätzliche Polizisten an der Südgrenze postiert.
Unter den Zuwanderern sollen sich Gerüchten zufolge auch mehrere IS-Kämpfer befinden, die vor einem Kriegsgericht in Syrien fliehen.

Die Türkei hatte sich mit dem Flüchtlingsabkommen verpflichtet, ihre Grenzen zur EU für Zuwanderer zu schließen. Wer trotzdem bis nach Griechenland gelangt und nicht asylberechtigt ist, soll laut Abkommen wieder zurück in die Türkei gebracht werden. Dort befinden sich derzeit 3,6 Millionen Syrer. Dafür sollte die Türkei von der EU sechs Milliarden Euro erhalten. Vorgesehen waren zwei Tranchen zu jeweils drei Milliarden Euro. Mit dem überwiesenen Geld sollen Projekte finanziert werden, welche die Versorgung der Zuwanderer verbessern. Vertraglich vereinbart worden war auch Abschaffung der Visa-Pflicht für Türken.

Die EU darf laut dem Abkommen alle Migranten, die illegal auf die griechischen Inseln gelangt sind, in die Türkei zurückschicken. Für jeden zurückgeschickten Migranten nimmt sie im gegenzug einen Syrer aus der Türkei legal auf.

Laut türkischer Regierung erfüllt die EU ihren Teil des Vertrages nicht. Sie komme den vereinbarten Rückführungen nicht nach. Die Visa-Pflicht sei nicht abgeschafft worden, und die Überweisungen lägen unterhalb der vereinbarten Summe. Unbestätigten Berichten zufolge habe die EU bislang nur 2,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Einen Großteil dieser Gelder würden Nichtregierungsorganisationen erhalten, teils internationale; diese berechneten zu hohe Verwaltungskosten.

Als die EU der Türkei Sanktionen angedrohte, verschlechterte sich die Stimmung weiter. Hier geht es zwar um einen Streit um die Gasförderung nahe Zypern, doch dieser kann negative Konsequenzen für das Abkommen haben. Denn die Türkei hat die Möglichkeit, den Durchlass an der Grenze zur EU weiter zu erhöhen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte am Wochenende, ohne eine gemeinsame europäische Kraftanstrengung drohe eine neue Flüchtlingskrise. Die Zeitung „Bild am Sonntag“ zitierte den Minister wie folgt: „Wir müssen unseren europäischen Partnern bei den Kontrollen an den EU-Außengrenzen mehr helfen. Wir haben sie zu lange alleine gelassen.“ „Wenn wir das nicht machen, werden wir eine Flüchtlingswelle wie 2015 erleben – vielleicht sogar noch eine größere als vor vier Jahren.“

Die Situation wird zunehmend instabiler: Der türkische Präsident Erdogan erklärte nun mit Blick auf die aus Nordsyrien abziehenden US-Soldaten, eine Militäroffensive seines Landes stehe unmittelbar bevor. Die Gesellschaft für bedrohte Völker warnte vor zahlreichen Toten, zehntausenden Flüchtlingen und massiven Menschenrechtsverletzungen.

Am 7. und 8. Oktober 2019 kommt der Rat der europäischen Innen- und Justizminister zusammen. Die Minister wollen den Sachstand in puncto Migration erörtern und sich dabei einen allgemeinen Überblick über die Migrationslage in der EU verschaffen. Außerdem prüften den Stand der Zusammenarbeit der EU mit nordafrikanischen Staaten in Migrationsfragen und sondierten die Möglichkeiten für weitere Hilfsleistungen.

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