
Bei den Demonstrationen am heutigen 1. Mai stehen traditionell Themen rund um die Arbeit im Vordergrund. Höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen, Sicherung und Ausbau von Tarifverträgen werden verlangt. Die Gewerkschaften fordern einen armutsfesten Mindestlohn und einen nationalen Aktionsplan zur Stärkung der Tarifbindung.
Im Jahr 1890 wurde der 1. Mai zum „Kampftag der Arbeiterbewegung“ erklärt. Heute stellt sich die Arbeitswelt wesentlich vielfältiger dar als während der Industrialisierung. Und es drängt sich eine unangenehme Frage auf. Ist der geplante Ersatz der Acht-Stunden-Grenze durch eine wöchentliche Höchstgrenze nur ein Zwischenschritt, um die Menschen perspektivisch länger arbeiten zu lassen? Schließlich könnte im Nachgang auch die Wochengrenze gelockert werden. Der Druck auf die Politik wird durch die darbende Wirtschaft sicherlich zunehmen. Die Deindustrialisierung schreitet voran; die Zahlen verschlechtern sich. Dann wären irgendwann gewiss zwölf Stunden Arbeit an sechs Tagen die Regel — aber nur für jene, die nicht durch Maschinen ersetzt werden können.
Andererseits gibt es Vorstellungen von weniger Arbeit. Manche wünschen sich bei gleichem Lohn eine Vier-Tage-Woche mit jeweils sechs Arbeitsstunden. Doch irgendwo in der Welt wird es immer Menschen geben, die länger arbeiten, weniger verdienen und gleichzeitig wesentlich mehr produzieren. Nur deren Produkte könnte sich die Work-Life-Balance-Gesellschaft dann noch leisten, wenn sie ihren Lebensstandard nicht drastisch reduzieren möchte.
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