DIE DEUTUNGSHOHEIT DER LEITMEDIEN

Früher setzten einflussreiche Nachrichtenblätter und große Magazine wie „Der Spiegel” die wichtigen Themen der Zeit, brachten damit den ein oder anderen Stein ins Rollen und lösten mitunter auch Lawinen aus — jeweils dort, wo man sie brauchte. Ihre Kommentare hatten den Zweck, für die Leser eine ganz bestimmte Denkrichtung anzubahnen. Später wurde das Fernsehen immer bedeutsamer. Zuletzt schien es jedoch nur noch die Politik der Regierung erklärend zu begleiten, ergänzt um Sendungen, die Andersdenkende bloßstellen oder sie sogar verbal angreifen. So sehen es jedenfalls viele Zuschauer und nennen Jan Böhmermann, Anja Reschke, Sarah Bosetti, Oliver Welke und Georg Restle als die größten Reizfiguren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Nun aber verlieren die einstigen Leitmedien ihren Einfluss auf den Meinungsbildungsprozess. Die Auflagen der großen Zeitungen sinken, die Einschaltquoten der einst starken Sender gehen zurück. Immer häufiger weicht die Meinung der Medienkonsumenten von dem ab, was die Leitmedien verbreiten. Alternative Medien gewinnen zunehmend an Einfluss und vermitteln am Beispiel von ARD und ZDF anschaulich, wie mit Framing der Meinungsbildungsprozess beeinflusst wird. Dadurch wirken die neutralen und objektiven Berichterstatter der großen Häuser zunehmend unglaubwürdig. Der scheinbar neutrale Bericht dient lediglich als Transponder für subtile Botschaften.

Nach Jahrzehnten großen Vertrauens wird wieder stärker darauf geachtet, welchen Hintergrund die einzelnen Zeitungen, Hörfunk- und Fernsehstationen haben, wer die Autoren und Anteilseigner sind, und wie sie politisch ausgerichtet sind. „Die Zeit” und die „Süddeutsche Zeitung” werden als linksliberal eingeordnet, die „TAZ” als linksalternativ, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung” als konservativ-liberal, „Die Welt” als konservativ, das Redaktionsnetzwerk Deutschland als der SPD nahestehend. Die ursprünglich linksliberale „Berliner Zeitung” gilt heute als ein ein alternatives Medium mit ostdeutscher Ausrichtung.

Ein Teil der Menschen, vornehmlich ältere, hält den großen Zeitungen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk aber weiterhin die Treue. Aus deren Sicht handelt es sich bei „Nius” von Julian Reichelt, „Apollut” von Kayvan Soufi-Siavash, „Anti-Spiegel” von Thomas Röper und „Epoch Times”, die im Jahre 2000 von Exil-Chinesen ins Leben gerufen wurde, um höchst fragwürdige Erscheinungen. Teilweise werden sie auch dem politisch rechten Spektrum zugeordnet.

Die Erwartungen an die Medien hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Eine vorgegebene Deutung ist zunehmend unerwünscht; das Hinterfragen der offiziellen Verlautbarungen und Erklärungen wird stärker gefordert. Subtile Einflussnahmen, etwa durch die Farbgebung, Hintergrundbilder oder bestimmte Begriffe, werden heute schneller denn je erkannt. Viele Leser und Zuschauer wünschen sich, dass Pro- und Kontra-Argumente ausgewogener abgebildet werden. Andererseits gibt es auch das Verlangen, alternative Medien einzugrenzen und soziale Netzwerke stärker zu regulieren. Mittlerweile können auch sie Debatten anstoßen und Lawinen ins Rollen bringen. Den Kampf um die Deutungshoheit gewinnt schließlich, wer die effizienteren Verbreitungswege besitzt oder zumindest die Kontrolle über sie und die Zugänge hat. In aufgewühlten Zeiten findet der freie Gedanke aber schnell andere Möglichkeiten, was bei weiteren Unterbindungsversuchen in die absolute Überwachung jedweder elektronischen Kommunikation führen könnte.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*