DIE VORSTELLUNG VOM IMMERWÄHRENDEN LEBEN

„Glaubst du an ein Leben nach dem Tod?“ Fast alle Menschen werden irgendwann mit dieser Frage konfrontiert. In der Antwort spiegelt sich meistens der Wunsch wider, in irgendeiner Weise fortzubestehen — möglichst auf einer höheren Ebene. Genau dazu lädt die Frage auch ein. Viele Religionen nutzen diese Wunschvorstellung und zeigen in ihrem Sinne verschiedene Möglichkeiten auf — je nach dem, welches Verhalten sie belohnen oder bestrafen möchten.

Es gibt aber auch Menschen, die sich mit Glaubensfragen nicht zufrieden geben und nach einer Antwort suchen, die sich mit allen bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen deckt. Sie wollen wissen, was sich wirklich abspielt, möglichst messbar und logisch begründet. Dazu bedarf es allerdings einer neuen Denkweise und anderer Fragen. Was ist Leben überhaupt, und warum endet es nach einiger Zeit?

Die Zeit spielt wegen der Vergänglichkeit des Lebens also ebenfalls eine große Rolle. Neue Erkenntnisse deuten aber darauf hin, dass es den Fluss der Zeit überhaupt nicht gibt. Was sich außerhalb unseres Körpers wirklich befindet, ist ein Raum von Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten. Der Eindruck eines Zeitablaufes entsteht zunächst durch die Konstruktion einer Gegenwart in unserem Kopf. Das Hier und Jetzt gibt es nur dort, und nur aus dieser Perspektive erscheint die Welt so, wie wir sie kennen. Somit ist das, was wir für die Realität halten, eine beobachterbezogene Erscheinung. Die kleinsten Wirkmuster offenbaren sich durch Photonen an ihrer statistisch wahrscheinlichsten Position als Teilchen.

Ohne objektive Gegenwart ist alles und jeder zu jederzeit präsent. Die Unterscheidung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft entsteht erst durch die Perspektive eines Beobachters. So wie die Rille einer Schallplatte alle Lieder von Anfang bis Ende enthält, oder die Filmrolle alle Bewegungen der Schauspieler, enthält der Raum der Möglichkeiten alle möglichen Zustande und alle möglichen Beobachtungspositionen. Die Nadel ist der Punkt, von dem aus gesehen man etwas als dahinterliegend oder davor definieren kann.

Die scheinbare Abfolge der Momente ergibt sich einerseits aus der Ungleichmäßigkeit des Raumes, andererseits aus dem, was das Leben eigentlich macht. Es handelt sich um eine Struktur, die mit Hilfe von Energie die Entropie nach außen exportiert. Jedes Lebewesen ist bei einer zeitlosen Betrachtung Teil dieser einen Struktur in dem Raum der Möglichkeiten, dessen Form durch die Entropie bestimmt wird. Auf der einen Seite herrscht dort eine hochgradige Ordnung mit wenigen Möglichkeiten, auf der anderen eine große Unordnung mit vielen Möglichkeiten. Vorstellbar ist ein trichterförmiges Blockuniversum. Mit zunehmender Unordnung in die eine Richtung ergeben sich dort mehr Möglichkeiten, und es erhöhen sich die Wahrscheinlichkeiten für immer mehr Zustände.

Der nächste erlebte Moment aus unserer Perspektive ist demnach die Interpretation der wahrscheinlichsten logischen Folgemöglichkeit, bezogen auf dem Zustand mit geringerer Entropie. Der morgige Tag wäre also in seiner Gesamtheit unordentlicher als der heutige. Doch im Gehirn ist nur der gestrige mit seiner geringeren Entropie als neuronales Muster hinterlegt, und zwar als Erinnerung, während außerhalb nur Zustände mit noch höherer Entropie als Interpretationsgrundlage zur Verfügung stehen. Somit ergibt sich der nächste Moment und damit der scheinbare Zeitablauf dieser Überlegung zufolge aus der Entropievermeidung in einem Umfeld zunehmender Unordnung.

Eine endgültige Antwort auf die Frage, was wirklich mit uns geschieht, gib es nicht, aber Gedankenexperimente, die wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht entgegenstehen, können weitere Annäherungen ermöglichen.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*