EIN HARTER KERL IM DOPPELPACK

Zur Sammlung Bergenthal, Iserlohn, die nun Bestandteil der Kunstsammlung Gera ist, gehört ein Selbstbildnis von Otto Dix mit Zigarette aus dem Jahre 1922. Die Kaltnadelradierung und die zugehörige Radierplatte, 34,9 mal 28,1 Zentimeter in den Abmaßen, kann noch bis zum 14. September 2025 besichtigt werden. (Bild: Stadtverwaltung)

Ein finsterer Bursche scheint das zu sein mit seinem kantigen, vorgeschobenen Kinn und dem stechend scharfen, bedrohlich wirkenden Blick unter wulstig-gewölbten Brauen. Eine Zigarette lässig zwischen den Lippen schaukelnd, das Haar glatt zurück gegelt, im geschniegelten Anzug mit schmalem Binder erinnert er an amerikanische Gangsterbosse der Prohibitionszeit in den 1920er und 1930er Jahren.

Der Dargestellte auf diesem steckbriefartigen Blatt ist niemand anderes als Otto Dix, der sich in seiner Radierung von 1922 als harter Kerl inszeniert. Er sagte von sich: „Entweder werde ich berüchtigt oder berühmt“ — am Ende ist er beides geworden. Als Arbeiterkind, dem seine Karriere nicht in die Wiege gelegt war, versuchte er den Spagat zwischen dem Stolz auf seine Herkunft aus einem Proletarierhaushalt und der Anpassung an das großbürgerliche Milieu, in das er eingeheiratet hatte.

In seinen Werken der 1920er Jahre entwickelte Dix eine ganz eigene, unverwechselbare Handschrift mit fest umrissenen, plastischen Formen von harter Präzision. Dabei steigerte er den Ausdruck zu Gunsten einer präzisen und überscharfen Erfassung der Details. Mit unbestechlichem Auge erfasste er die Schwächen und Unzulänglichkeiten seiner Modelle. Es galt ihm, das Wesen des Porträtierten darzustellen, indem er die charakteristischen Züge seines Modells transformierte bzw. gar deformierte. Diese Überhöhungen wirken in ihrer Dominanz wie die verzerrende Vergrößerung einer Lupe: das Wesentliche wird herausgehoben, das Nebensächliche vernachlässigt.

Das Foto zeigt Otto Dix‘ Selbstbildnis gewissermaßen im Doppelpack: rechts sieht man die Druckplatte – eine Zinktafel, in die Dix mit einer Radiernadel die Konturen hineingeritzt hat. Diese Radierplatte wird eingefärbt und die überschüssige Farbe auf der Oberfläche mit einem Lappen abgewischt, so dass die Farbe nur in den Vertiefungen haften bleibt. Anschließend wird ein angefeuchtetes Papier auf die Druckplatte gepresst, wodurch die Farbe aus den Vertiefungen herausgesaugt wird und so seitenverkehrt auf dem Abzug erscheint, der hier links zu sehen ist.

Diese und weitere Werke sind noch bis zum 14. September 2025 in der Sonderausstellung „Die neue Sachlichkeit, das habe ich erfunden“ — Otto Dix und Zeitgenossen im Otto-Dix-Haus Gera zu sehen.

TEXT: CLAUDIA SCHÖNJAHN, WISSENSCHAFTLICHE MITARBEITERIN IN DER KUNSTSAMMLUNG GER

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