Im 18. Jahrhundert eroberte das Paisley-Muster Europa. Das tropfenförmige Ornament, das an ein stilisiertes Blatt erinnert, hat seine Wurzeln im asiatisch-nordostafrikanischen Raum. Erste Spuren finden sich bereits in Ägypten und Afghanistan. Besonders in Persien und später in Indien erfreute sich das Motiv großer Beliebtheit – von dort aus trat es seinen Siegeszug nach Europa an.
Zahlreiche Legenden ranken sich um seine Einführung auf dem Kontinent. So soll Kaiser Napoleon seiner Frau Joséphine einen Kaschmirschal mit Paisley-Muster geschenkt haben – ein außergewöhnlich kostbares Präsent. Ein handgewebter Schal, an dem ein indischer Weber bis zu drei Jahre arbeitete, konnte in Europa so viel kosten wie ein Stadthaus in London. Auch Königin Victoria zeigte sich begeistert von dem exotischen Design: Nachdem britische Soldaten die Schals aus Indien mitgebracht hatten, trug auch sie das elegante Muster.
Seinen europäischen Namen erhielt das ursprünglich als Boteh bezeichnete Motiv von der schottischen Stadt Paisley bei Glasgow. Dort begannen Textilunternehmer im frühen 19. Jahrhundert, die indischen Vorlagen mithilfe mechanischer Webstühle nachzuahmen – und machten das Muster endgültig zum Modetrend.
Auch die Geraer Textilindustrie folgte dem Zeitgeist. Über Messen und ausländische Handelspartner, die Stoffproben zusandten, informierten sich die Unternehmen über neue Designs. Daher überrascht es kaum, dass sich im Nachlass der Firma Fürbringer zahlreiche Stoffmuster mit farbenprächtigen Paisley-Drucken finden. Das 1827 gegründete Unternehmen gehörte zu den bekanntesten Zeugdruckereien Geras. Produziert wurden unter anderem Musseline, Rips, Satin und Wollstoffe, die für Tücher, Damenoberbekleidung, Arbeits- und Unterwäsche, Möbelstoffe sowie Tapisserien Verwendung fanden. Die Aufträge kamen nicht nur aus dem gesamten deutschen Raum, sondern auch aus dem Ausland – belegt sind Bestellungen aus Rumänien, Georgien, der Türkei, Griechenland, Russland, Ägypten und Syrien.
Die aufwendig gestalteten Stoffe entstanden mit hölzernen Druckformen, in die die Muster von spezialisierten Holzstechern eingeschnitten wurden. Für ein vollständiges Design waren meist mehrere Druckstöcke erforderlich, die präzise ineinanderpassen mussten – eine Form für die Konturen und weitere für die einzelnen Farbtöne.
Noch bis zum 1. März 2026 lädt das Museum für Angewandte Kunst Gera Besucherinnen und Besucher ein, in der Ausstellung „Textilmuster: Von Gera in die Welt“ in die faszinierende Welt der Stoffe und ihrer Geschichten einzutauchen.
TEXT: ANNE-KATHRIN SEGLER

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