DIE ROSCHÜTZER PORZELLANFABRIK

Von 1811 bis 1991 wurde in Roschütz Porzellan hergestellt. Die Fabrik befand sich auf dem Gelände des alten Rittergutes und war anfangs noch recht klein. Im Jahre 1882 übernahmen Oskar Unger und Bernhard Schilde die Firma und erweiterten sie unter Einbezug weiterer Gebäude des Rittergutes. Im Jahre 1953 wurde das Unternehmen umfirmiert in „VEB Porzellanwerk Roschütz”. Man fertigte dort vorwiegend Gebrauchsgeschirr für den Export in RGW-Länder. Ab dem Jahre 2003 wurden viele der einstigen Werksgebäude abgerissen.

Zum 200. Jahrestag der Gründung, am Freitag, den 22. Juli 2011, wurde am alten Fabrikgebäude eine Schautafel aufgestellt, die die Geschichte des Werkes zeigt, eine Innenansicht sowie Erzeugnisse aus den 180 Produktionsjahren. Die Einweihung übernahm Dr. Wieland Kögel, Vertreter der Vermietungsgesellschaft Gewerbepark Roschütz, der das Objekt heute untersteht. Zugegen waren ehemalige Arbeiter, Mitglieder der Fachgruppe Heimatgeschichte und einige Roschützer. Dr. Holger Christel schrieb zum Jubiläum das Porzellanmärchen „Phillip und die Silbernixe” und stellte sein Buch den Anwesenden vor.

Die Porzellanherstellung wurde in Roschütz im Jahre 1991 eingestellt. Das „weisse Gold“ wurde einst auch in Langenberg, Untermhaus und Cuba gefertigt. Über die Geschichte der Roschützer Porzellanfabrik ist auf der Schautafel folgendes zu lesen:

12. Mai 1811
Gesuch an Herzog August von Sachsen, Gotha und Altenburg zwecks „Anlegung einer Porcellain- und Steingutfabrik in Roschütz“ (im Rittergut)

22. Juli 1811
Konzession für die Fertigung „jeder Gattung von Porzellan- und Steingutwaren und Gefäßen” an Ferdinand von Brandenstein (Rittergutsbesitzer)
„Porzellanfabrik von Brandenstein”

1817
Anton Mühlberg, der Bruder des Eisenberger Porzellanfabrikanten, wird Miteigentümer.

1827
Übertragung der Konzession auf Anton Mühlberg.

18. Januar 1828
Anton Mühlberg wird alleiniger Inhaber

16. September 1850
Friedrich August Reinecke und Ehefrau, geb. Mühlberg, sind Inhaber.

1864
Verkauf an Karl und Heinrich Peukert.

1868
Verkauf an Oskar Schmidt aus Plauen.

1878
Einbau einer Dampfmaschine.

1. Januar 1882
Oskar Unger und Bernhard Schilde sind Besitzer der Fabrik, die sich „Roschützer Porzellanfabrik Unger & Schilde” nennt.

1886
Großbrand im Porzellanwerk

1900
Das Porzellanwerk zählt 200 Angestellte.

1926
Stilllegung der Massemühle

1. November 1953
„VEB Porzellanwerk Roschütz”

1959
Einsatz einer elektrischen Schmelzmuffel

1958 bis 1960
Errichtung einer Zentralheizung und Umstellung der Transmission mit Dampfmaschine auf Elektroantrieb

1968
„VEB Porzellankombinat Kahla, Werk Roschütz”

1990
Einstellung des Betriebes

Die ehemalige Porzellanfabrik auf dem Gelände des alten Rittergutes sowie das Roschützer Schloss werden auch in mehreren Büchern beschrieben:

Um das alte Gut zog sich ehemals der Wassergraben einer mittelalterlichen Wallanlage. Durch den Bau einer Porzellanfabrik auf diesem Gelände wurde die Anlage so in Mitleidenschaft gezogen, dass sie kaum noch topografisch erkennbar ist. Heute wird das Gelände weiterhin gewerblich genutzt.

„Archäologischer Wanderführer Thüringen”, Heft 7, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie

Das Rittergut war 1651 in den Besitz des Domherrn von Friesen übergegangen. Er verkaufte es 1674 an die Herren von Uffel. In ihrem Besitz blieb es 114 Jahre. Sie wirtschafteten es aber so herunter, daß sie es auch nach zahlreichen Grundstücksverkäufen nicht halten konnten.
Im Jahre 1788 kaufte das Rittergut Herr von Eckard auf Rittergut Hain. Nach seinem Tode erbte beide Rittergüter sein Schwiegersohn Chr. F. von Brandenstein. Das war ein unternehmungslustiger Mann. Durch Um- und Ausbau gestaltete er das Rittergut Roschütz in einen schönen Landbesitz um. Er legte einen Park und ein Gewächshaus und kaufte viele von den Uffels veräußerte Grundstücke wieder zurück. Er führte die Seidenraupenzucht ein und gründete die Roschützer Porzellanfabrik.

Von ihm ging das Rittergut auf seinen Sohn Ed. L. Chr. von Brandenstein über. Seine Frau, die 1893 im Rittergutsschloß starb, war dessen letzte adliche Bewohnerin. Die noch bewohnbaren Räume wurden vermietet. Das Rittergut wurde seit vielen Jahren von Pächtern bewirtschaftet.
Zum alten Rittergut gehörte bis 1900 ein Gebäudeteil mit einem Gerichtssaal, einer Folterkammer, die einige verkommene Holz-, wahrscheinlich Foltergeräte, enthielt und mehrere Gefängniszellen. Das beweist, daß die Roschützer Rittergutsherren die Patrimonialgerichtsbarkeit ausübten.

Nach dem Tode der letzten Schloßherrin stand 1894 das Rittergut wieder einmal zum Verkauf. Diesmal erwarben es die Besitzer der Porzellanfabrik Unger und Schilde. Der gute Absatz ihrer Produkte drängte zur Erweiterung ihres Betriebes. Dazu benötigten sie aber die an die Fabrik angrenzenden Gebäude und Grundstücke des Rittergutes. Alles übrige verkauften sie 1895 wieder an den Kommerzienrat Ernst Meyer in Gera.
Mit diesem Besitzwechsel endet die Geschichte des alten Rittergutes. Der neue Besitzer baute es an anderer Stelle wieder auf. Die alten Gebäude ließ er niederreißen. Nur der Grundstock der Kemenate blieb stehen.

„Die Geschichte des Dorfes Roschütz unter besonderer Berücksichtigung der Roschützer Arbeiterbewegung” von Paul Schaller (Roschützer Bürgermeister), Mai 1956

Das Herrenhaus im Park

Das Herrenhaus im Park, auch als Roschützer Schloß bezeichnet, ist um 1895 erbaut worden.

Nach der Aufgabe als Rittergut diente das Schloß sehr unterschiedlichen Zwecken. Während der Zeit des Dritten Reiches war es ein Reichs-Arbeitsdienst-Lager, nach dem Krieg waren hier Umsiedler untergebracht, in der DDR-Zeit war es zunächst Schule für die Ausbildung von Volksrichtern, später war es Pionierleiterschule.
Das ehemalige Herrenhaus steht heute leer und verfällt. In den Nebengebäuden sind einige Wohnungen und Stallungen untergebracht.

„Bildersammlung über den Ortsteil Roschütz und Ergänzungen zur Geschichte des Ortes”, bearbeitet von Günther Gerhardt, 2009

Das alte Rittergut befand sich bis Ende des 19. Jahrhunderts auf dem Gelände, das später völlig von der Roschützer Porzellanfabrik eingenommen wurde. Als man Mitte des 18. Jahrhunderts auf dem nördlichen Höhenzug, etwa 300 Meter vom heutigen „Rittergut“ entfernt, ein Kaolinlager entdeckte, begannen die Besitzer der Lagerstätte, diese, anfangs für das Steingutwerk in Gera-Untermhaus und später selbst durch den Bau einer eigenen Porzellanfabrik, auszubeuten. Als Begründer der Roschützer Porzellanfabrik 1811 werden die Rittergutsbesitzer von Brandenstein genannt. Sie errichteten die ersten Gebäude hierfür unmittelbar auf dem Rittergutsgelände.
Die Einnahmen aus der Porzellanherstellung überstiegen in den folgenden Jahrzehnten jene aus der Landwirtschaft, so daß das Rittergut als Produzent landwirtschaftlicher Erzeugnisse für dessen Besitzer immer mehr an Bedeutung verlor. Als sich dann 1895 der Geraer Weberreibesitzer Ernst Meyer in der Nähe einen Sommersitz schaffen wollte, kam ihm das Verkaufsangebot des Rittergutes in Roschütz gelegen. Er erwarb das Gut mit den noch verbliebenen alten Gebäuden einschließlich der Kemenate neben der Porzellanfabrik und die dazugehörige Schäferei, die sich auf dem Berg, nahe dem „Massebrüchen” befand.
Meyer ließ die Schäferei abreißen und an gleicher Stelle moderne Wirtschaftsgebäude und ein komfortables Herrenhaus erbauen. Auf diese „Neuschöpfung“ wurde der alte Begriff eines „Rittergutes“ übertragen, welcher auf dem alten Hof ja noch lag und von Meyer mit erkauft wurde. Das alte Rittergutsareal neben der Porzellanfabrik wurde an andere Interessenten veräußert und hörte damit auf zu existieren. Durch Zukäufe und Geländeausgleiche entstand um das neue „Rittergut“ ein ca. 100 Hektar großer Komplex, bestehend aus Feld- und Waldfluren.

Nach Meyers Tod erwarb 1915 der Großindustrielle Oskar Arnold aus Neustadt bei Sonneberg das Rittergut. Reiche Kriegsgewinne bei der Produktion von Geschoßkörpern und anderem Kriegsmaterial gestatteten es ihm, mit einem Aufwand von mehreren hunderttausend Mark und durch die Ausnutzung von billigen Arbeitskräften der zahlreichen Kriegsgefangenen einen „Luxuspark” anzulegen. Hierfür wurde vorwiegend die westliche Hanglage zum Brahmetal unmittelbar neben dem Rittergut in einen Park verwandelt. Er ließ von Bildhauern Plastiken anfertigen und auf verschiedenen Steinpostamenten im Park aufstellen. Gleichzeitig entstand ein Teehaus im antiken Stil, das zur großen Parkwiese durch eine große Mauer begrenzt wird, in die eine Steinplastik reliefartig eingearbeitet ist.

Nach dem 1. Weltkrieg schmolz der Reichtum Arnolds beträchtlich. So kam es 1920 zum Verkauf des Rittergutes nebst Parkanlage.
Die weitere Entwicklung und Bewirtschaftung des Anwesens durch die Nachfolgebesitzer Herbert Bon aus Mühlhausen, Gustav Casparie aus Gera und der anschließenden Treuhandverwaltung war geprägt von finanziellen Nöten, so daß am Ende des 2. Weltkrieges viele Bereiche des Anwesend bereits dem Verfall anheimgefallen waren. Dabei soll vor allem der Ausbau des unbenutzten ehemaligen Jagdhauses durch Casparie, der nach seiner Frau benannten „Agnesruh”, erwähnt werden.
Durch Erweiterungsbauten schuf Casparie hier eine moderne Ausflugsgaststätte, die aber nach anfänglich regem Besucherstrom bankrott ging. Nach 1945 zogen in das Rittergut Umsiedler aus Schlesien und dem Sudetenland ein, welche die durch die Bodenreform aufgeteilten Feld- und Waldfluren bewirtschafteten. Den Park aber kaufte die Gemeinde Roschütz, um in ihm durch die Umgestaltung des Parkteiches und unter Ausnutzung der großen Wiese und des Teehauses ein Sommerbad einzurichten. Am 20. Juni 1948 war es schließlich soweit

Heute wird das gesamte ehemalige Rittergutsgelände treuhänderisch verwaltet. Für die Wiederbelebung sowohl des Herrenhauses als auch der Freibad- und Parkanlagen werden gegenwärtig Investoren gesucht.

„Wohin in Gera”, Verlag Dr. Frank GmbH, Dezember 1997

Moritz Carl von Eckhard, der 1788 Teile des Rittergutes Roschütz erwarb, kaufte den kaolinhaltigen Sandberg, die Pezoldsbirken, von der Wittwe Greiner 1804, als die Versteigerung der Untermhäuser Porzellanmanufaktur im gleichen Jahr bevorstand. Die Rohstoffe, die dort für die Herstellung von Porzellanen sowie in der Untermhäuser und Eisenberger Fabrik verarbeitet wurden, hatte Friedrich von Hardenberg (Novalis) im Jahr 1800 in einem Brief an den dammaligen Professor der Mineralogie und Geologie an der Freiberger Bergakademie, Abraham Gottlob Werner, beschrieben:

„Hinter Roschütz nach Hayn zu kamen wir in die merkwürdigen Geraischen Porzellanerdenbrüche. Die Porzellanerde kommt hier als Bindemittel eines weißen, quarzigen Sandsteins vor, der äußerst grob und porös ist, wahrscheinlich über dem bunten Sandsteine in aufgeschwämmten Gebirge. Sie wird nachher durch eine Art von Aufbereitung aus dem Sandstein gewonnen.”

1807 ging das Rittergut in den Besitz von Johann Christoph Ferdinand von Brandenstein über, dem Schwiegersohn von Eckhard. Am 21. Juli 1811 wurde die Konzession zum Betreiben einer Porzellan- und Steingutfabrik durch Herzog August von Sachsen-Gotha erteilt – trotz des Einspruches der bisherigen Nutzer des kaolinhaltigen Vorkommens, den Fabriken in Gera, Eisenberg und Ronneburg.

„Porzellanland Thüringen”, Museumsverband Thüringen e. V., 2010

Als langjährige Besitzer des Roschützer Rittergutes (bis Mitte des 19. Jahrhunderts am Standort der Porzellanfabrik) ist das Geschlecht der Edlen von Schauroth von 1305 bis zum Verkauf des Gutes 1651 nachweisbar.

„Neues Gera”, Verlag Dr. Frank GmbH, 7. März 1998, Ausgabe Nr. 5

9 Kommentare

  1. Guten Morgen,

    Das Rittergut Roschütz an die Miochstrasse ist vor 2 Jahren teilweise abgebrannt. Haben Sie mehr Auskünfte was da passiert ist, wer der Eigentümer ist und was die weiter Plänen mit den Ruine sein?

    Ich habe es einige Jahre zurück bevor den Brand versucht zu kaufen und zu retten.

    Herzlichen Dank,

    Freundlichen Grüssen,

    Jan-Sebastian van Lissum

    • Am Freitag, den 10. August 2018, benachrichtigten Anwohner gegen 19.45 Uhr Feuerwehr und Polizei wegen starken Rauches. Wenig später schlug das Feuer durch, und der Dachstuhl stand in Flammen. Bis Samstagmittag, den 11. August 2018, war die Feuerwehr mit dem Löschen beschäftigt. Das Gebäude Milchstraße 2 ist ein Kulturdenkmal und befindet sich seit 30 Jahren in privatem Besitz. Kaufinteressenten können mit der Unteren Denkmalschutzbehörde unter der Rufnummer 0365 8384960 Kontakt aufnehmen.

  2. Auf der Suche nach dem Schwimmbad meiner Kindheit, bin ich auf diesen Bericht gestoßen.
    Vielen herzlichen Dank für die ausführlichen Beschreibungen und Geschichte des Rittergutes!
    Leider habe ich nichts gefunden, was aus dem Bad wurde. Dass es geschlossen ist, weiß ich. Existiert die Anlage noch?
    So viele schöne Erinnerungen hängen dran… 🙂
    Meine Tante hatte in der Nähe einen Garten. Ich musste nur durch den Wald gehen und war am Schwimmbad. Und auf den Mülldeponien der Porzellanfabrik suchte ich mit meinen Cousinen nach „brauchbaren“ Geschirr, welches wir dann zum Spielen nutzten.
    Wir verzogen schon Mitte der 80er in den „Westen“, daher konnte ich nichts mehr verfolgen.
    Liebe Grüße aus Niedersachsen!

  3. Herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Die Anlage in Roschütz existiert noch. Über den aktuellen Stand werden wir demnächst berichten.

  4. Das Gelände des ehemaligen Roschützer Bades, Parkweg 17, befindet sich nach wie vor in privatem Besitz. Drei Namen sind am Eingang zu lesen. Das Becken ist mit Wasser gefüllt und ähnelt einem Naturteich. Auch das alte Kassenhäuschen, die Baracke im unteren Teil und die originale Umzäunung sind noch vorhanden.

    • Herzlichen Dank für die Auskunft!
      Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass dieses große Anwesen nun in Privatbesitz ist. So viele (schöne) Kindheitserinnerungen.
      Eigentlich war es damals schon ein Naturbad. Es roch nie nach Chlor (wie das Sommerbad) und wir Kinder fingen drin Molche.
      Schön zu wissen, dass es noch besteht.

      Liebe Grüße von der Nordsee. 🙂

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