EINSCHÄTZUNGEN NACH DER WAHL IN THÜRINGEN

In Thüringen hat die AFD einen Anteil erreicht, der die bislang dominanten Parteien in arge Bedrängnis bringt. Regierungsmehrheiten sind nur möglich, wenn sich einstige Widersacher entweder zusammentun oder einander unterstützen. Doch dabei müsste sich mindestens eine Seite soweit verbiegen, dass sie zu bersten droht.

Die Spannungen in der Politik nehmen nach der Wahl in Thüringen weiter zu und werden allmählich zur Belastungsprobe für die CDU, die Große Koalition und sogar für Annegret Kramp-Karrenbauer.

„Friedrich Merz ist doch nicht der einzige in der Union, der sagt, liebe Leute, so kann es nicht weitergehen.”

Wolfgang Bosbach, CDU, am 29. Oktober 2019 gegenüber RTL Television

Wie nun soll sich die CDU zwischen Linken und AFD positionieren? Vielleicht ist auch das der Wählerauftrag: Die Partei soll sich entscheiden, wo sie künftig stehen will. Zwar begreift sie sich selbst als Partei der Mitte, doch als solche wird sie immer weniger wahrgenommen, denn aus Sicht einstiger Wähler verschiebt sich der Kreis, welcher früher die Mitte umrahmte, immer weiter in Richtung früherer Randgruppen. Der Zimmermann, Landwirt, Monteur, die klassische Familie mit dem vollzeit berufstätigen Mann, fühlen sich wie der verbliebene Rest einer endenden Ära, und letztere Spezies scheint sogar zum Aussterben freigegeben.

Nun rechnet die AFD im Zuge einer Rezession und Wirtschaftskrise auch im Westen ähnlich guten Ergebnissen. Das sagte zum Beispiel Kay Gottschalk von der AFD am 29. Oktober 2019 im Deutschlandfunk.

Der Versuch der anderen Parteien, diese Partei ins Abseits zu drücken, wird sie aber jedesmal noch stärker machen. Denn im Abseits zu stehen oder bald dorthin zu geraten, das ist es ja, was Teile der Gesellschaft seit Jahren für sich selbst empfinden bzw. befürchten.

Nun glauben jene, die sich lediglich an Symptomen wie den zunehmenden Hass abarbeiten, die Stimmung im Osten werde sich bessern, wenn man Hass-Schreiber im Internet verfolgt und die Zuwanderung erhöht. Denn dort, wo sich viele Fremde befinden, gebe es diesen gegenüber weniger Vorbehalte. Zudem brauche der Osten auch aufgrund der demografischen Entwicklung eine gesteuerte Ansiedlung. Darüber berichtete unter anderem „Die Zeit” unter „https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-10/landtagswahlen-ostdeutschland-thueringen-afd-sachsen-brandenburg”.

„Wer den Osten dauerhaft stabilisieren will, der muss vor allem für eines kämpfen: Zuwanderung. Massiv und am besten sofort. Zuwanderung aus dem Westen, Binnenzuwanderung aus den großen Städten in die ländlichen Räume, und ja, auch gezielte Migration aus dem Ausland.”

Kommentar in „Die Zeit” am 27. Oktober 2019

Das allerdings wird als Versuch aufgefasst, die Mehrheiten entsprechend dem gewünschten Ergebnis zu verändern. Die Rede ist sogar von einer Demokratie-Simulation im Interesse bestimmter Kreise, welche die Bandbreite der akzeptablen Meinungen vorgibt und die Zusammensetzung der Gesellschaft so ändert, wie es ihnen nützt.

Das Wahlergebnis von Thüringen spiegelt letztendlich Veränderungen wider, die nicht nur Thüringen betreffen, sondern ganz Deutschland und alle Industriestaaten. Und die Suche nach einer selbstlaufenden symptomatischen Therapie von Seiten der Politik lässt nicht wenige vermuten, dass es bald sogar verpönt sein wird, den Ursachen nachzugehen und Schlüsse zu ziehen oder gar Gedanken zu haben, die von den offiziellen Pressemitteilungen abweichen.

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