AUF DER SUCHE NACH DER ABSOLUTEN WAHRHEIT

Was ist Wahrheit und wo findet man sie? In Zeiten großer Wirrungen gewinnt diese Frage wieder an Bedeutung. Unter Wahrheit versteht man heute die Übereinstimmung einer Aussage mit der absoluten objektiven Realität, als Ergebnis einer Beobachtung oder Messung. Zugleich aber fand man vor nicht allzu langer Zeit heraus, dass das Gehirn aus nur wenigen zugeleiteten Reizen lediglich eine Hypothese von der Realität konstruiert. Es sind wohl unzählige individuelle Räume, die sich zu einer gemeinsamen Lebenswelt vereinigen, in denen aber jeder seinen Standpunkt hat und seine Sicht mit jeweils unterschiedlichen Worten dem anderen beschreiben darf.

Nun hat sich in unserem Kulturkreis eine Weltbetrachtung etabliert, die man Wissenschaft nennt. Haben wir es uns im Namen dieser womöglich zur Aufgabe gemacht, eine Art kollektiven Traum zu vermessen? Dann wäre es nicht verwunderlich, wenn auf der Suche nach des Rätsels Lösung eine Antwort dutzende neue Fragen aufwirft, und verschiedene Sichtweisen in der irrigen Annahme einer absoluten Wahrheit für einen ewigen Streit sorgen.

Sokrates meinte einst, wir Menschen trügen die Wahrheit schon unbewusst in uns. Sie müsse nur hervorgeholt werden. Ein anderer Denker war überzeugt, die Welt lebe erst durch die Fantasie, und wenn eines Tages nur das Beweisbare gesagt werden dürfe, sei das der Fantasie Ende. Der fantasielose Mensch, um seine wichtigste Fähigkeit gebracht, werde zum Knecht weltfremder Fantasten.

Hermann Hesse schrieb im Jahre 1919 folgendes Gedicht mit dem Titel „Die Welt unser Traum”:

Nachts im Traum die Städt’ und Leute,
Ungeheuer, Luftgebäude,
Alle, weißt du, alle steigen
Aus der Seele dunklem Raum,
Sind dein Bild und Werk, dein eigen,
Sind dein Traum.

Geh am Tag durch Stadt und Gassen,
Schau in Wolken, in Gesichter,
Und du wirst verwundert fassen:
Sie sind dein, du bist ihr Dichter!
Alles, was vor deinen Sinnen
Hundertfältig lebt und gaukelt,
Ist ja dein, ist in dir innen,
Traum, den deine Seele schaukelt.

Durch dich selber ewig schreitend,
Bald beschränkend dich, bald weitend,
Bist du Redender und Hörer,
Bist du Schöpfer und Zerstörer.
Zauberkräfte, längst vergeßne,
Spinnen heiligen Betrug,
Und die Welt, die unermeßne,
Lebt von deinem Atemzug.

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