HORST SAKULOWSKI „DAS TELEGRAMM“

Das 1977 entstandene Gemälde hat die Inventarnummer GM-0409 und misst 61 mal 73 Zentimeter. Das Öl wurde auf eine Holzfaserplatte aufgetragen. (Bild: Stadtverwaltung)

Was ist los mit dieser Jugend? Diese Frage drängt sich unweigerlich beim Betrachten des Bildes von Horst Sakulowski „Das Telegramm“ auf. Ein junger Mann in Soldatenuniform sitzt in einem fast unmöblierten Raum vor einer kahlen Wand. Außer dem Dokument, welches links neben ihm auf dem Tisch liegt und dessen angeschnittene Überschrift „Jeder Zeit Gefechtsbereit…“ lautet, lenkt nichts von dem Dargestellten ab. Der ganze Kosmos der Erzählung entfaltet sich zwischen dem jungen Mann und dem in seiner Hand befindlichen aufgerissenen Brief, auf dessen oberen Rand das Wort „Telegramm“ zu entziffern ist. Der Protagonist ist nicht beim Lesen der Zeilen porträtiert sondern beim Überdenken der Mitteilung. Versunken in seine innere Welt blickt er nachdenklich in die Ferne. Sein ernster, in sich gekehrter Gesichtsausdruck verweist auf die Tragweite der Mitteilung. Der Betrachter bleibt über den Inhalt der Botschaft im Ungewissen. Lediglich eine Vermutung keimt auf. Deutlich spürbar ist der Widerspruch zwischen seiner soldatisch eingefrorenen Existenz und einer situationsbedingten Lebensdynamik. Die daraus resultierende innere Anspannung bestimmt die Figur.

Das 1977 entstandene Gemälde wurzelt tief in der eigenen Betroffenheit des Künstlers, für den die Armeezeit ein prägendes Erlebnis war. Seit 1962 galt in der DDR für alle Männer zwischen 18 und 26 Jahren die allgemeine Wehrpflicht. Dieser allgemeine Grundwehrdienst umfasste 18 Monate. Einen zivilen Wehrersatzdienst gab es nicht; die einzige Alternative war als „Bausoldat“ den Dienst ohne Waffe abzuleisten. Horst Sakulowski, geboren 1943, absolvierte seinen Grundwehrdienst von 1969 bis 1971. Der einstige Schießbefehlsverweigerer reflektierte in einer ganzen Werkgruppe über die psychische Bedrängnis des Soldatenlebens. Bis Mitte der 1980er Jahre verarbeitete der Künstler in mehreren Gemälden diese Thematik. Auf der VIII. Kunstausstellung der DDR in Dresden war neben dem bekannten Werk „Porträt nach Dienst“ auch „Das Telegramm“ präsent, beide lösten heftige Diskussionen aus. Diese Sicht auf die Realität war nur schwer mit den vorgegebenen Leitbildern zu vereinbaren. Großartig in Szene gesetzt, kündet die Figur des jungen Soldaten von seiner inneren Verletzlichkeit, zieht den Betrachter in seinen Bann und nimmt ihn für sich ein. Sakulowskis meisterliche Beherrschung der künstlerischen Mittel, sein Umgang mit einer formpräzisen Dinggenauigkeit lassen seine Bildsprache unverkennbar werden. Die Grundthemen des menschlichen Daseins stehen dabei im Mittelpunkt seines Interesses.

Heute ist Horst Sakolowski, dessen Werk von einer großen Ernsthaftigkeit und Eindringlichkeit geprägt ist, einer der wichtigsten Thüringer Künstler. Das Gemälde gehört zum Bestand der Kunstsammlung Gera und wird in der Ausstellung „Horst Sakulowki. Retrospektiv“ vom 22. Oktober 2023 bis 14. Januar 2024 in der Orangerie gezeigt.

QUELLE: STADTVERWALTUNG

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