ROBERT HABECK NIMMT STELLUNG ZU DEN PROTESTEN

In den vergangenen Jahren hatten Landwirte immer wieder eine ausufernde Bürokratie sowie zunehmende Vorschriften und Auflagen beklagt. Die geplanten Kürzungen bei den Subventionen waren lediglich ein Zündfunke für das Zustandekommen der heutigen Proteste. Die Aktionswoche der Bauern ab dem 8. Januar 2024 soll am 15. Januar mit einer Großdemonstration in Berlin enden. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, ist besorgt ob möglicher Vereinnahmungen der Proteste durch andere Kräfte. Am Morgen des 8. Januar 2024 veröffentlichte er auf seinem Instagram-Account eine Videobotschaft. Darin sagte er unter anderem:

Erstens: Ich war sechs Jahre Landwirtschaftsminister. Ich habe viele Betriebe besucht und noch mehr Gespräche mit Bäuerinnen und Bauern geführt. Sie arbeiten sieben Tage die Woche, sind immer auf Abruf, und wenn andere ihren Jahresurlaub machen, haben sie Erntezeit. Ja, sie wirtschaften unter einem mächtigen ökonomischen Druck — dem Preisdruck durch die Discounter, der großen Schlachthöfe und Molkereien, dem schwankenden Weltmarkt. Es gibt gute, es gibt schlechte Jahre, aber vor allem gibt es ein strukturelles Problem. Bauern können ihre Produktionskosten oft nicht weitergeben, weil die Preise nicht von ihnen gemacht werden. Trotz Inflation, höheren Energie- und Lohnkosten, können die Landwirte den Milchpreis nicht einfach anpassen; häufig haben sie Schwierigkeiten, ihre Produktionskosten zu decken. Es muss also immer mehr produziert werden. Und genau das passiert auch. Die Kühe heute geben gut 65 % mehr Milch als noch vor 30 Jahren. Die Zahl der Höfe ist im gleichen Zeitraum um weit mehr als die Hälfte zurückgegangen. Die Tierbestände pro Hof — sie werden immer größer. Die kleinen Höfe verschwinden. Wachse oder weiche, kaufe den Nachbarbetrieb auf oder verkaufe deinen. So ist die Realität. Strukturwandel nennt man das — ich finde, etwas beschönigend. Es ist die Industrialisierung der Landwirtschaft. Dies allerdings ist auch die bisher vom Bundesverband selbst vertretene Position: Als Indikator für den Fortschritt in der Landwirtschaft gilt der Strukturwandel – übersetzt also: das Höfesterben. Das ist die Logik des Systems, in dem die Bauern wirtschaften. Unter der unionsgeführten Bundesregierung und den Agrarministerinnen und Ministern von CSU und CDU gaben über 100’000 Betriebe auf. Natürlich will man angesichts solcher Probleme an jeder einzelnen Subvention ohne Abstriche festhalten. Nur gibt es auch andere Antworten: faire Preise, gute Bezahlung für anspruchsvolle Arbeit, für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Tierschutz, direkte Vermarktung. Meiner Ansicht nach sollte man die Debatte jetzt nutzen, um ernsthaft und ehrlich genau darüber zu diskutieren.

Zweitens: Wir in der Bundesregierung sind den Bauern wegen des Kostendrucks entgegengekommen. Wir behalten einen wesentlichen Teil der jetzt diskutierten Subventionen bei — die Befreiung von der KFZ-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge; die Subvention für den Agrardiesel bauen wir schrittweise ab. So wird es fairer. Ganz können wir jedoch nicht darauf verzichten. Der Einspardruck, zu dem das Urteil des Verfassungsgerichts geführt hat, ist da. Wir mussten ad hoc große Milliardensummen einsparen. Dieser Aufgabe haben wir uns gestellt und den Haushalt neu aufgestellt. Es gab ja einen fertigen Entwurf vor dem Urteil, der anderes vorsah. Aber es ist eine Tatsache, dass die Union mit dem Ziel geklagt hat, dass Milliarden eingespart werden. Und so viel das Urteil dann aus. Die Konsequenz ist, dass gespart wird. Diese Einsparungen haben wir alles in allem breit verteilt. Gleichzeitig sichern wir wichtige Entlastungen und Investitionen ab. Das alles tun wir, weil wir als Regierung eine gesamte Lösung finden mussten, und zwar innerhalb der Rahmenbedingungen, die jetzt gelten.

Und drittens: Ich halte eine Debatte über diese Rahmenbedingungen für notwendig. Eine Diskussion über die Frage, wie wir unser Gemeinwesen in Zukunft finanzieren, damit es ein Gemeinwesen bleibt. Worum es mir jedoch heute geht, ist etwas anderes: Hinter den angekündigten Protesten steht mehr als die jetzigen Regierungsentscheidungen. Wir alle erleben einen Umbruch: Kriege und Krisen, die hohe Inflation über die letzten zwei Jahre. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist der Angst vor einer schlechteren gewichen. Erschöpfung und Enttäuschung, Sorge und Wut machen sich breit. Aber, und das ist ein großes Aber: Wir dürfen nicht zulassen, dass Extremisten diese Verunsicherung kapern. Wir dürfen nicht blind sein. Umsturzphantasien heißen nichts anderes, als unseren demokratischen Staat zerstören zu wollen.

Habeck sieht das Recht und den Rechtsstaat in Gefahr, und fordert dazu auf, die liberale Demokratie zu verteidigen. Entscheidend sei jetzt, dass die große schweigende Mehrheit sich einbringe, wählen gehe, und sich klar mache, dass die Antidemokraten der politische Feind und gemeinsame Hauptgegner seien. Radikale und Populisten seien voll motiviert und mobilisiert. Habeck spricht von Männern, Frauen und Kinder in den Städten und Dörfern, die eingeschüchtert und bedroht würden. Für sie müsse man eintreten und die Bedrohung abwehren. Denn diese Republik sei der beste Staat, den Deutschland je hatte.

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