
In gewissen Abständen kommt die Idee auf, den „oben“ angesammelten Reichtum wieder nach „unten“ zu verteilen. Theorien, die einen Ausgleich zwischen Reich und Arm versprechen, gewinnen ab einem bestimmten Missverhältnis im gesellschaftlichen Gefüge immer mehr Anhänger. Weil die meisten Reichen aber nicht davon zu überzeugen sind, nimmt die Ungleichheit weiter zu, und damit der Frust auf der anderen Seite. Es werden Enteignungen gefordert, und es können totalitäre Systeme entstehen, die ihre Vorstellung von Gerechtigkeit sogar mit Gewalt durchsetzen wollen.
Ungleich verteilter Besitz ist im Wesentlichen die Folge ungleich verteilter Fähigkeiten unter den Menschen. Die einen haben Talente, Kraft, Ausdauer, sind gerissen oder besitzen andere Eigenschaften, mit denen sie relativ viel Vermögen anhäufen können. Andere wiederum haben nichts von alldem. Besonders begabte Menschen, die sich frei entfalten und ohne Begrenzungen agieren können, akkumulieren in der Regel mehr Geld als andere. Ihren Kindern ermöglichen sie eine bessere Startposition ins Leben und geben ihnen schließlich auch den Besitz weiter. Oftmals gehören zum Erbe auch gewisse Veranlagungen, die einen körperlichen oder geistigen Vorsprung zur Folge haben.
Irgendwann im Laufe von mehreren Generationen bildet sich eine riesige Unwucht heraus. In der Vergangenheit hat die Oberklasse die aus ihrer Sicht weniger wohlgeratenen Menschen für sich arbeiten lassen, sie mehr oder weniger als Werkzeug für ihre eigenen Zwecke betrachtet. Ist das Missverhältnis zu groß, wird der Reichtum der Reichen gefordert, um das Elend in den unteren Schichten zu beseitigen. Erst dann fruchtet die Idee von der Umverteilung. Die vertikale Hierarchie wird infrage gestellt, eine horizontale angestrebt. Man betont die Gleichheit der Menschen. Sogar das Christentum reiht sich in die Abfolge ein und könnte, was diesen Aspekt anbelangt, durchaus als eine linke Bewegung verstanden werden.
Im neuen System kommt es aber zu Wohlstandsverlusten und einem langsamen Verfall. Wenn die Leistungsträger verschwinden, nehmen sie auch ihre Vermögen mit. Die heranziehbaren Mittel für die Aufrechterhaltung des Lebensstandards schrumpfen. Dem Umverteilungssystem fehlt bald die nötige Geldmenge, wodurch sich die Definition von Reichtum so ändern könnte, dass plötzlich normale Bürger mit Haus und Hof darunter gezählt werden.
Bei geringer werdenden Lohnunterschieden trotz unterschiedlicher Arbeit, wie es in horizontalen Hierarchien üblich ist, ändert sich zudem das Motto für die Leistungsbereitschaft: Soviel wie nötig, so wenig wie möglich, heißt es dann in den Betrieben. Warum sollte jemand acht Stunden hart arbeiten, wenn er den gleichen Lohn auch mit einem geringeren Aufwand erhalten kann. Im Neuen Testament gibt es das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Dort wird der Unmut derer beschrieben, die die Last des Tages und die Hitze getragen haben, aber genauso bezahlt wurden, wie jene, welche nur eine Stunde lang gearbeitet haben.
Ein Leitgedanke, der über das Materielle hinausgeht und eine andere Gesellschaftsform zum Ziel hat, ist zwar Voraussetzung für den Einsatz im Glauben an eine bessere Welt, doch er muss ständig und mit immer höherem Aufwand am Leben gehalten werden, weil sonst die Leidensbereitschaft abnimmt. Andernfalls kommt es zur Abkehr, und der Zyklus von Reichtum und Umverteilung beginnt wieder von vorn.
Kommentar hinterlassen