MESSERATTACKEN, HALTUNGSJOURNALISMUS, HASSKOMMENTARE, KAUSALKETTEN

Bei dem nachfolgenden Beitrag handelt es sich um eine Zusammenstellung subjektiver Betrachtungen.

Die sich seit einigen Jahren häufenden Messerattacken sorgen in den Kommentarspalten der Zeitungen und sozialen Netzwerke für immer heftiger werdende Reaktionen. Nicht nur weit auseinandergehende Meinungen finden sich unter den Berichten, sondern auch Behauptungen, Beleidigungen, Äußerungen des Hasses, Spekulationen und Theorien.

So haben etliche Anbieter ihre Kommentarspalten inzwischen abgeschaltet. Wo die Funktion noch verfügbar ist, sammeln sich immer häufiger Hassbeiträge, sodass die Redakteure mitunter überfordert sind. Zumindest große Betreiber müssen Botschaften dieser Art künftig melden.

Andererseits beklagen viele Leser, die Berichterstattung bei schweren Vorfällen sei, abhängig von der Täterzugehörigkeit, ungleich — sowohl bei der Platzierung der Artikel als auch bei Wortwahl und Verbreitung. Ebenso würden die Grundsätze des seriösen Journalismus missachtet, nämlich die Fragen der sieben W — wer, was, wie, womit, wann, wo, warum.

Wenn es um eine Bestimmte Zugehörigkeit der Täter gehe, habe man zuerst von einer verzehrten Wahrnehmung der Allgemeinheit gesprochen und die Nennung der Nationalität mit Verweis auf den Pressekodex vermieden.

„In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“

Deutscher Presserat, Richtlinie 12.1 zur Berichterstattung über Straftaten

Bestimmte Zugehörigkeiten dürften nicht überproportional in den Polizeimeldungen präsent seien, wel das Vorurteile gegen die gesamte Ethnie schüre, kommentiert, ein Leser. Neuerdings gebe es auch unterschiede bei der Beschreibung besagter Taten, meint ein anderer. Wörter wie Totschlag, Mord, Attacke werden bei Vorfällen mit Zuwanderern vermieden und durch harmloser klingende ersetzt. Und so wollen nicht wenige Leser festgestellt haben, dass die Presse einerseits deeskalierend schreibt, wenn die Tat von Zuwanderern ausgeht, andererseits reißerisch, polarisierend und mit viel größerer Reichweite, wenn es sich um Täter ohne Migrationshintergrund und ohne zweite Staatsbürgerschaft handelt. Dies würden sehr viele Leser so wahrnehmen, ohne dass sie ihren Unmut darüber in adäquate Worte fassen könnten. Ohnehin fühlten sie sich durch die Medien nicht mehr vertreten. Daher komme es im Internet zu heftigen verbalen Entladungen.

Aber wie verhält es sich mit Meinungen, die nur in ihrer Gesamtheit auf Theorien hinauslaufen, ohne dass diese genannt werden, und ohne dass eine Beleidigung oder schlimmeres darin enthalten ist? Sollten diese gelöscht werden? Meinungen sind laut Erkenntnistheorie eine von Wissen und Glauben unterschiedene Form des Fürwahrhaltens, und das Meinen ist ein Fürwahrhalten, dem sowohl subjektiv als auch objektiv eine hinreichende Begründung fehlt. Es ist also möglich, dass sich viele subjektive Betrachtungen derart passend zusammenfügen, dass sich daraus etwas schlüssig erscheindes herleiten lässt, was ein anderer als Verschwörungstheorie bezeichnet und ausgemerzt wissen möchte. Eine objektive Wahrheit gibt es wissenschaftlich betrachtet ohnehin nicht. Also ist vielmehr entscheidend, wie sehr die eine Sichtweise die andere gefährdet und damit das vorherrschende Gedankenbild verändert.

Das Fernsehen wecke heute die niedersten Instinkte und trage selbst zur Aufwiegelung und dem Verfall der Sitten bei, ist verbreitete Überzeugung. In seinem 2007 erschienenen Buch „Gauner muss man Gauner nennen — Von der Sehnsucht nach verlässlichen Werten” schreibt der bekannte Journalist und Autor Ulrich Wickert über das Auseinanderdriften der Gesellschaft und meint in diesem Zusammenhang, ein Newspeak, also Neusprech, habe sich breitgemacht, wie er in George Orwells Roman „1984” vorkommt. Dort werde er angewandt, um den Menschen gedanklich die Möglichkeit vorzuenthalten, Mißstände klar zu benennen. Denn für die Machthabenden sei das eine Gefahr, so der Journalist.

Dass Unmut sich bei sprachlichen Hürden durch Gewalt äußert, ist allerdings keine Neuentdeckung, sondern eine uralte Erkenntnis und heute in den Geisteswissenschaften allgemein bekannt. Ebenso ist bekannt, dass Unruhe schon desöfteren zielgerichtet hervorgerufen und als taktisches Mittel eingesetzt wurde.

Zerstrittenheit benötige man, um noch mehr Kontrolle ausüben zu können. Und Kontrolle benötige man, wenn die Freiheit des Einzelnen weiter eingeengt werden soll. Am besten gelinge das, wenn man verschiedene Völker zusammenbringe, hätten schon die antiken Sklavenhalter gewusst. Muss dann der Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 14. Dezember 2019 in diesem Kontext gesehen werden?: „Die Bundesregierung plant einen Generalschlüssel zum digitalen Innenleben der Bürger und schlägt vor, Strafverfolgern Zugang zu Internet-Passwörtern zu geben.”

Hasskommentare nehmen zweifelsfrei zu, sind beängstigend und sind von einer gepflegten Sprachkultur soweit entfernt wie der heutige Mensch von seinen Vorgängern. Aber diese Form der Unmutsbekundung ist mitsamt der Ursachen hinreichend und tiefgründig analysiert, sodass es höchst unglaubwürdig erscheint, wenn jemand sagt, man habe die Entwicklung nicht kommen sehen. Tatsächlich kommt sie weder überraschend noch ungewollt. Politik, Medien und deren Nutzer sind Teil einer Kausalkette, und es gibt sogar Denkfabriken, die auf die Erstellung von Kausalketten spezialisiert sind. Demzufolge wird der Ablauf von einer Seite angestoßen, der sich der öffentlichen Wahrnehmung gänzlich entzieht. Es hat keinen Sinn, sich mit dem Symptomen auseinanderzusetzen, ohne das Gesamtgeschehen zu betrachten. Denn wer das tut, macht sich selbst zum Teil dieser Kettenreaktion. Das ganze ist so gut konzipiert, dass man eine sehr hohe Intelligenz dahinter vermuten könnte.

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