VOM KLEINEN DORF ZUR GRÖSSTEN PLATTENBAUSIEDLUNG THÜRINGENS

Lusan blickt auf eine beeindruckende und abwechslungsreiche Geschichte zurück. Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Dorf „Losa“, slawisch für Sumpf- oder Gebüschbewohner, im Jahre 1248. Dort, wo sich heute die Kirche St. Ursula, das SOS-Kinderdorf und die Otegau befinden, ist Alt-Lusan, der Ursprung des Stadtteils.

Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es in Lusan bereits zehn Bauerngüter, einige kleine Häuser, ein Schulgebäude und Schankwirtschaften. Im Januar 1919 erfolgt die Eingemeindung nach Gera. Bis weit nach Ende des zweiten Weltkrieges bleibt Lusan weitestgehend von der Landwirtschaft geprägt. Das ändert sich in den 1960er Jahren mit der Sozialpolitik der DDR.

Eines der Schwerpunktprojekte des Wohnungsbaukombinates Gera zur Erfüllung des Wohnungsbauprogramms der SED ist ein rund 260 Hektar großes Neubaugebiet, das auf den Feldern Alt-Lusans entstehen soll. Bereits 1965 werden erste Planungen zum neuen Stadtteil veröffentlicht. Am 28. April 1972 erfolgt der symbolische Spatenstich für das Großbauprojekt. Vier Jahre später leben bereits 10’000 Menschen in Lusan. Parallel dazu entsteht die notwendige Infrastruktur mit einer vierspurigen Schnellstraße und neuer Straßenbahnlinie, mit Kindergärten, Schulen sowie Arztpraxen. Da Lusan zunächst als „Schlafstadt“ konzipiert ist, sehen die Planer kulturelle Einrichtungen und Gaststätten anfangs nicht vor. Erst mit der Eröffnung des Plzen-Restaurants im Jahre 1980 entwickelte sich nach und nach ein urbanes Flair mit verschiedenen Dienstleistungseinrichtungen und Lusans erstem Eiscafé „Eiskristall“. Insgesamt entstehen drei Zentren, vier Kaufhallen und 28 Erdgeschosszonen mit Läden in Wohnhäusern.

Bis 1985 wächst Lusan zu dem größten Neubaugebiet im Bezirk Gera und in Thüringen heran: Knapp 45’000 Menschen leben zu diesem Zeitpunkt in rund 15’000 Wohnungen. Dr. Thomas Prill, Leiter des Geraer Stadtplanungsamtes, erklärt:

„Das Wohnen in der Platte, in Fünf-, Sechs-, und Elfgeschossern hat heute eher einen negativen Ruf. Doch der Neubau in Systembauweise war in den 70er und 80er Jahren das Nonplusultra. Hier gab es Warmwasserheizung, Wasserspülung, eine Badewanne mit WC in der Wohnung und die Bausubstanz war trocken. All dies waren Vorteile gegenüber den Altbauten, deren Bewohnerinnen und Bewohner häufig noch mit Kohle heizten und sich das WC mit anderen teilen mussten.“

Die typisierte und rationelle Bauweise der Zeit hatte Folgen für die Kunst am Bau. Zur Verschönerung der gleichbleibenden Gebäudearchitektur wurden Plastiken und Wandgestaltungen genutzt, die Individualität sowie Kinder- und Jugendfreundlichkeit zum Ausdruck bringen sollten. Ein Beispiel dafür sind die rund achtzig Bildmosaiken über den Hauseingängen in der Zeulsdorfer Straße. Heute bildet Lusan den südwestlichen Teil Geras mit Verbindungen in das Stadtzentrum und in den offenen Landschaftsraum. Neben Lusan-Laune, Lusan-Zentrum und Lusan-Brüte gehören die Gemeinden Weißig, Röppisch und Zeulsdorf sowie die Einfamilienhausgebiete Sommerleithe und Dürrenebersdorf dazu.

In Folge der gesellschaftspolitischen Wende unterliegt Lusan wie die Stadt selbst einem gravierenden strukturellen Wandel. Leben 1995 noch rund 40’000 Menschen in Lusan sind es sechs Jahre später nur noch 29’500. Mittlerweile hat sich die Zahl der Einwohner, die hier ihren Haupt- oder Nebenwohnsitz gemeldet haben, im Vergleich zu den 1990er Jahren halbiert. Neben dem Bevölkerungsrückgang hat sich in Lusan auch die Altersstruktur deutlich verändert. Das Durchschnittsalter des ehemals jungen und kinderreichen Familienwohnorts liegt derzeit bei 51 Jahren. Jeder dritte Lusaner ist inzwischen älter als 65 Jahre. Damit gehört Lusan zu den ältesten Stadtteilen Geras. Thomas Prill betont:

„Lusan ist ein wichtiger gesamtstädtischer Wohnstandort, denn nach wie vor lebt fast jeder vierte Geraer hier. Allerdings stellt die soziodemografische Entwicklung des Stadtteils die Kommune und alle Akteure wie etwa Bildungsträger, Wohnungsunternehmen und die medizinische Versorgung weiterhin vor Herausforderungen.“

Dem Bevölkerungsrückgang, der unter anderem einen Nachfragerückgang nach Wohnungen und Leerstände in Größenordnungen nach sich zog, begegneten die Stadtverwaltung und viele lokale Akteure, allen voran die Wohnungsunternehmen, konkret die WBG „Glück Auf“ Gera e. G., WG „Neuer Weg“ e. G., WBG Union e. G., WBG „Aufbau“ Gera e.G. und TAG Wohnen AG, seit Anfang der 2000er Jahre mit umfassenden Umbaumaßnahmen. Dazu gehören der Abriss, Teilrückbau sowie die Sanierung und Modernisierung der Wohngebäude, der Neubau von Einkaufszentren, die Sanierung von Schulen sowie die Spielplatzneugestaltung kommunaler rund privater Anlagen. Außerdem bietet die Aufnahme des Stadtteils in das Bund-Länder-Förderprogramm „Soziale Stadt 2015“ Chancen für eine nachhaltige Aufwärtsentwicklung Lusans. Dieses ermöglicht es, wichtige Maßnahmen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität und barrierefreien Gestaltung des öffentlichen Raums sowie der Belebung der Stadtteilkultur umzusetzen.

Während die Wohnbebauung in Lusan mittlerweile zum Großteil einen guten Standard aufweist, sind in einigen Bereichen nach wie vor städtebauliche Defizite aufgrund von leerstehenden Handels- und Gewerbestandorten sowie unsanierten oder ungenutzten Infrastruktureinrichtungen vorhanden. Baudezernent Michael Sonntag beschreibt das weitere Vorgehen:

„Unser Ziel ist es, die Quartiersentwicklung voranzubringen, um das Wohnumfeld weiter zu verbessern und den Stadtteil zukunftsfähig aufzustellen. Dazu gehören konkrete Maßnahmen wie etwa aktuell der Abriss des Albert-Schweitzer-Gymnasiums. Die Flächen werden begrünt und es werden erhebliche Ersatzpflanzungen vorgenommen. Außerdem liegen bereits konkrete Pläne für den Ersatzneubau der Fußgängerbrücke in der Nürnberger Straße vor.“

Zu den wichtigsten Projekten der nächsten Jahre gehören demnach aber vor allem die Revitalisierung des Plzen-Centers und die Entwicklung des unmittelbar daran angrenzenden „Bildungscampus Lusan“ mit der Regelschule Die Vierte und der Grundschule Wilhelm Busch.

Mit dem „Bildungscampus Lusan“ verbindet sich der Anspruch, im Zentrum des Stadtteils einen besonderen Ort der Bildung zu schaffen, der zugleich den Sozialraum aufwertet und einen städtebaulichen Impuls setzt. Dazu werden die Regelschule gemeinsam mit der Grundschule, den zugehörigen Sporthallen, den weitläufigen Außenanlagen und dem leer stehenden Gebäude Elsterberger Straße 6 betrachtet. Im Mittelpunkt des Bildungscampus steht die Sanierung der Regelschule, die für den Campus sowohl Chance als auch Voraussetzung ist und einen Mehrwert für den Standort insgesamt generieren soll. Die zur Verfügung stehenden Gebäude und die weiträumigen Außenanlagen bieten zudem vielfältige Möglichkeiten zur Gestaltung moderner Bildungs- und Begegnungsräume für die schulische und außerschulische Nutzung. Insgesamt besteht das Großbauvorhaben aus fünf Teilprojekten: Sanierung und Umbau der Regelschule, Sanierung und Umbau Elsterbergerstraße 6, Neubau einer Zweifelder-Sporthalle mit Mehrzwecknutzung, Sanierung der Sporthalle in der Saalfelder Straße 24 sowie der Freianlagen. Von dem neuen Bildungscampus verspricht sich die Stadt Gera einen Imagewandel für den Bildungsstandort, von dem nicht nur alle Campus-Partner, sondern das gesamte Quartier profitieren wird. Momentan wird für alle Teilprojekte die Entwurfsplanung erarbeitet. Parallel dazu sucht die Stadt Gera Fördermöglichkeiten, um das Vorhaben finanzieren zu können.

https://tag-wohnen.de/gera/geschichtswerkstatt-in-lusan

Mehr Informationen zur Geschichte Lusans bietet unter anderem die Geschichtswerkstatt der TAG Wohnen mit einer Dauerausstellung zur Entwicklung des Stadtteils. Sie ist zu finden in der Kastanienstraße 7 und hat donnerstags von 15 Uhr bis 17 Uhr sowie gemäß Vereinbarung geöffnet.

QUELLE: STADTVERWALTUNG

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