DAS OBJEKT DES MONATS AUS DEM OTTO-DIX-HAUS

Mächtig und achtungsgebietend thront das Schloss Osterstein auf dem dicht bewaldeten Hang des Hainbergs, der sich steil über der Elster erhebt. Die Schlossfront ist geziert mit neugotischen Türmchen und Erkern, die aus dem Umbau in den 1860er Jahren stammen. Dahinter lugt der mittelalterliche Bergfried hervor, der damals eine geschwungene Welsche Haube trug statt des heute gewohnten Kegelhelms. Der Wald unterhalb des Schlosses ist mit nur wenigen Strichen angedeutet. Von größerem Interesse sind für den Künstler dagegen die geduckt wirkenden Gebäude des Hofgutes, die das Elsterufer säumen. Der Standpunkt des Zeichners befand sich am östlichen Kopf der Brücke über die Weiße Elster.

Zu sehen ist eine Bleistiftzeichnung von Paul Neidhardt. (Bild: Stadtverwaltung—Kunstsammlung, Inventarnummer NE-Z-1473)

Offensichtlich hatte der Künstler während des Schaffensprozesses seine Absicht geändert, und deshalb auf der linken Seite noch einen Streifen Papier angefügt. Dieser macht fast ein Drittel der gesamten Darstellung aus. Auf den solchermaßen erweiterten Träger ergänzte der Schöpfer die Kubatur des Schlosses mit dem von Türmchen und Zinnen bekrönten Anbau. Im Vordergrund skizzierte er mit energischen Strichen einen spärlich belaubten Baum, der den Durchblick auf das Schloss erlaubt. Als sogenanntes Repoussoir-Motiv rahmt dieser die Darstellung und lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das Objekt im Hintergrund. Gleichzeitig verleiht er der Ansicht Tiefe.

Der Schöpfer dieser Zeichnung ist Paul Neidhardt. Er wurde 1873 in Gera geboren – sein Geburtstag jährt sich dieses Jahr also zum 150. Male. Nachdem er die Volksschule abgeschlossen hatte, absolvierte er eine dreijährige Ausbildung zum Porzellanmaler. 1890 bis 1894 lebte er in Nürnberg und arbeitete dort in seinem Beruf, wobei er die letzten zwei Jahre nebenbei die dortige Kunstgewerbeschule besuchte. Im Anschluss daran ging er nach München, wo er bis 1898 an der Akademie der Bildenden Künste studierte. In der Isarmetropole kam Paul Neidhardt mit namhaften Münchner Landschaftskünstlern in Berührung, wodurch sein Interesse an der Landschaftsmalerei geweckt wurde. Als er 1904 in Gera zu Besuch weilte, „packte die heimische Landschaft den Maler, so dass er in Gera blieb“ (Ausstellungskatalog: Geraer Maler stellen zur Schau, 1947). So entstanden im Laufe der Jahrzehnte unzählige Landschaften in verschiedensten Techniken. In diesen Kontext ist auch die vor der Kriegszerstörung des Schlosses 1945 entstandene Bleistiftstudie einzuordnen.

Paul Neidhardt blieb in Gera, wo er als freier Künstler tätig war und Unterricht am Geraer Technikum erteilte. Zudem richtete er eine Mal- und Zeichenschule ein, zu deren Schülern Geraer Künstler wie Kurt Günther, Erich Drechsler und 1914 zeitweise auch Kurt Schmidt gehörten. 1919 hob Paul Neidhardt den Künstlerbund Ostthüringen mit aus der Taufe und fungierte zeitweilig als deren Vorsitzender. Er war mit den Geraer Künstlern Hermann Paschold, Kurt Günther, Alexander Wolfgang, Erich Drechsler und Alfred Ahner befreundet, ebenso mit dem Geologen Rudolf Hundt. 1946 wurde ihm durch die Thüringer Landesregierung der Professorentitel verliehen. Paul Neidhardt verstarb 1951 in Gera. Er zählt zu den bedeutendsten Vertretern des Ostthüringer Künstlerkreises. Sein Werk „Schloss Osterstein“ ist gegenwärtig in der Sonderausstellung „Altes und neues Gera“ – Gesichter einer Stadt im Otto-Dix-Haus zu sehen.

Das Otto-Dix-Haus ist vom 7. August bis zum 16. August 2023 für Besucher geschlossen. Diese Schließzeit wird genutzt, um einige kleinere Reparaturen im Gebäude auszuführen, die bei laufendem Besucherverkehr nur eingeschränkt zu realisieren wären. Ab 17. August 2023 sind sowohl die Dauerausstellung zu Leben und Werk von Otto Dix als auch die Sonderausstellung „Altes und neues Gera – Gesichter einer Stadt“ wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.

QUELLE: STADTVERWALTUNG

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