GEBURTENRÜCKGANG GIBT RÄTSEL AUF

In Deutschland sterben mehr Menschen als geboren werden. Das ist soweit nichts neues, denn die Geburtenrate liegt seit Jahrzehnten deutlich unter dem Wert, der zur Stabilisierung der Bevölkerungszahl notwendig ist. Mindestens 2,1 Kinder pro Frau müssten es sein.

Beunruhigend ist der weitere Rückgang. Nachdem sich die Zahlen 40 Jahre lang auf einem historisch niedrigem Niveau befanden, nämlich zwischen 1,2 und 1,4, stiegen sie von 2015 bis 2021 auf 1,5 bis 1,6 Kinder pro Frau. Eine Trendumkehr schien sich abzuzeichnen. Doch die Gebrutenrate sank wieder auf 1,57 im Jahr 2021, und 1,46 im Jahr 2022.

Dann folgt laut der gemeinsamen Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung und der Universität Stockholm ein „bemerkenswert starker und sehr plötzlicher Rückgang“ auf nur noch 1,36 Kinder pro Frau im Zeitraum von Januar bis November 2023.

Zurückgeführt wird diese Entwicklung auf zusätzliche Verunsicherungen nach der Corona-Zeit, wie den Krieg in der Ukraine, die gestiegene Inflation, die Angst vor dem Klimawandel. Einige Kreise bringen die Corona-Impfung ins Spiel, weil der Rückgang im Schnitt neun Monate nach Beginn der Impfkampagne für jüngere Menschen beginnt. Das entspricht dem Schwangerschaftszeitraum.

In anderen EU-Ländern und vor allem in einigen fernöstlichen Staaten ist die Situation ähnlich. Auch Japan, Singapur und Südkorea melden auffällig niedrige Geburtenraten für das Jahr 2023. Am Beispiel Südkorea, das mit 0,72 Kindern pro Frau nunmehr die weltweit niedrigste Geburtenrate hat, wird deutlich, dass auch enorme staatliche Hilfen zur Verringerung der finanziellen Belastung durch die Mutterschaft nicht die erhoffte Wirkung haben.

Wie es heißt, konzentrieren sich Frauen in den wohlhabenderen Ländern immer stärker auf ihre berufliche Karriere. Kinder, Haushalt und Beziehung empfänden sie nicht nur als physische und psychische Mehrbelastung, sondern auch als Problem bei der Selbstverwirklichung und angestrebten Autonomie.

Beunruhigend sind auch die Prognosen für die kommenden Jahrzehnte. In einem Bericht im Fachmagazin „The Lancet“ ist zu lesen, dass im Jahr 2100 weltweit nur noch die sechs Staaten Samoa, Tonga, Somalia, Niger, Tschad, Tadschikistan eine Geburtenrate von mehr als 2,1 haben werden. In Westeuropa soll sie dann bei durchschnittlich 1,37 liegen. Finanziert wurde der Bericht von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung.

In Regionen mit hohem Bildungsniveau ist die Geburtenraten bekanntlich niedrig, in Gegenden mit niedrigem Bildungsniveau dagegen sehr hoch. Dieses Phänomen könnte die weitere Entwicklung bestimmen. Hält der Trend an, wird das starke Wanderungsbewegungen und für Europa eine neue Bevölkerungszusammensetzung zur Folge haben.

Die Bundesregierung hatte versucht, mit dem Elterngeld auch für Besserverdienende die Geburtenrate in dieser „höheren“ Gesellschaftsschicht positiv zu beeinflussen. Zunächst galt für Paare beim gemeinsamen Bruttoeinkommen eine Grenze von 300’000 Euro, bis zu dieser das Elterngeld gewährt wurde. Sie wurde abgesenkt auf 200’000 Euro. Im kommenden Jahr soll sie bei 175’000 Euro liegen. Der Grund ist der Sparzwang. Untersuchungen zeigen, dass die Geburtenrate in den wohlhabenderen Ländern trotz einer Verdreifachung der Ausgaben für Kinderbetreuung, Elternzeit und Kindergeld sinkt.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*